Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmungsverweigerung. Verstoß gegen Tarifvertrag. Beteiligung Paritätische Auswahlkommission

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung Deutsche Telekom Kundenservice (TV Ratio DTKS) findet auch dann Anwendung, wenn Arbeitsplätze nicht wegfallen, sondern lediglich verlegt werden.

2. Nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS werden, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der unter Beteiligung der Paritätischen Auswahlkommission vorzunehmenden Auswahlentscheidung mit einbezogen.

3. Gleiche Arbeitsplätze sind solche, auf denen die gleichen Tätigkeiten zu verrichten sind. Die Beschäftigten müssen austauschbar sein.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1, § 95 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Beschluss vom 08.12.2010; Aktenzeichen 4 BV 48/09)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 13.05.2014; Aktenzeichen 1 ABR 9/12)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 08.12.2010 – 4 BV 48/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Versetzung von bislang in P. bzw. B-Stadt beschäftigten Mitarbeitern nach M., insbesondere darüber, ob ein Auswahlverfahren nach §§ 3, 4 des Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 25.06.2007 (TV Ratio) mit den Beschäftigten der Arbeitsstätte B-Stadt, S.straße durchzuführen ist.

Die beteiligte Arbeitgeberin ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, welches Callcenter-Dienstleistungen erbringt. Nach dem Zuordnungstarifvertrag vom 06.03.2008 gliederte sich die Arbeitgeberin in acht Regionen und die Zentrale, die jeweils selbstständige Organisationseinheiten bildeten und mit ihren Betriebsteilen einen Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG darstellten. Die hier betroffene Region 2 (Nord-Ost) verfügte über Betriebsteile in B-Stadt, F., P., R. und S.. Der Zuordnungstarifvertrag vom 17.03.2010 sieht neben der Zentrale nunmehr nur noch fünf Regionen als selbstständige Organisationseinheiten vor. Der beteiligte Betriebsrat ist für die Region 1 (Nord) mit den Standorten B., A-Stadt, H., S., B-Stadt (S.straße), K., W. und F. gebildet.

Der TV Ratio hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, den folgenden Wortlaut:

„…

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

(1) Zur Erhaltung, Sicherung und Steigerung sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Marktanteile der DTKS sind wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich, um eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherzustellen. Dieser Tarifvertrag dient der sozialverträglichen Umsetzung dieser Maßnahmen.

(2) Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind

(a) Änderung der Aufbauorganisation,

(b) Änderung der Ablauforganisation,

(c) Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts,

(d) andere personalwirtschaftliche Maßnahmen,

soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird.

Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2:

1. zu Buchstabe a):

Unter Aufbauorganisation ist die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten zu verstehen. Sie umfasst z. B. die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger.

§ 3 Auswahl

(1) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

(2) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit der DTKS, den Betrieb BQE1, versetzt.

(3) Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere vergleichbare Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so werden die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erfor...

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