Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung. Auswahlentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Betriebsrat kann einen Widerspruch bei Versetzungen gem. § 99 Absatz 1 Ziffer 1 und Ziffer 3 BetrVG damit begründen, dass eine nach dem TV Ratio und nach § 315 BGB erforderliche Auswahlentscheidung unterblieben ist.

 

Normenkette

BetrVG § 99

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Dem Verfahren liegt ausweislich des Beschlusses des Arbeitsgerichts Rostock vom 04. Mai 2010 – 1 BV 49/09 – folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beteiligten streiten über die Versetzung von 492 bislang in B. beschäftigten Mitarbeitern nach F., insbesondere über die Pflicht zur Durchführung eines Auswahlverfahrens nach §§ 3, 4 des Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 25.06.2007 (im Folgenden: TV Ratio).

Die Beteiligte zu 1 ist ein Tochterunternehmen der D. T. AG, das Callcenter-Dienstleistungen erbringt und in acht Regionen aufgeteilt ist. Die Kundenniederlassung N., in der mehr als 1.000 Beschäftigte tätig sind, erstreckt sich über die Bundesländer Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Der TV Ratio hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, den folgenden Wortlaut:

㤠3 Auswahl

(1) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

(2) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit der DTKS, den Betrieb BQE, versetzt.

(3) Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere vergleichbare Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, so werden die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Abs. 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

(4) Bei einer nach Absatz 1 und 3 erforderlich werdenden Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern sind die persönlichen und sozialen Gesichtspunkte nebst Verfahren gemäß Anlage 1 und die Punktetabelle gemäß Anlage 2 heranzuziehen. Diese sind abschließend.

(5) Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden Arbeitnehmer, die zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebes/der Organisationseinheit zwingend erforderliche, unverzichtbare Kenntnis aufweisen und andere potentiell betroffene Arbeitnehmer diese nicht aufweisen.

(6) Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden weiterhin Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden bzw. bei denen gemäß bereits geschlossenem Altersteilzeitvertrag der Beginn einer Altersteilzeit innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I liegt. …

Protokollnotiz zu § 3 Absatz 6:

Bei Vollbetroffenheit im Sinne des Absatzes 2 findet die Herausnahme des Absatzes 6 Satz 1 keine Anwendung. Eine Versetzung in die BQE erfolgt jedoch nur, wenn bei einer vorrangigen Prüfung anderweitiger Unterbringung des Arbeitnehmers – begrenzt auf die TRZ-Grenze – nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz gemäß TV Ratio DTKS gefunden wurde.

Protokollnotiz zu § 3:

1. Bei der nach den Absätzen 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich um eine Sozialauswahl im Sinne des KSchG zum Zwecke der Überführung gemäß § 5 Absatz 1 und 3 in den Betrieb BQE. Die Anlagen 1 und 2 dieses Tarifvertrages stellen für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 1 Absatz 4 KSchG dar.

2. Die einzubeziehenden Mitarbeiter erhalten mittels eines einheitlichen Formblattes die Möglichkeit, die Kriterien der Anlage 2 sowie etwaige soziale Härten geltend zu machen.

§ 4 Paritätische Auswahlkommission I

(1) Für eine nach § 3 erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern wird in DTKS eine ständige Auswahlkommission im Betrieb eingerichtet.

(2) Die Auswahlkommission ist mit Arbeitgebervertretern und Mitgliedern des Betriebsrates des jeweils betroffenen Betriebes der DTKS paritätisch zu besetzen.

(3) In der Auswahlkommission ist mit dem Ziel einer Einigung eine umfassende Erörterung und Beratung vorzunehmen. …

(4) Die Auswahlkommission hat innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung einer Empfehlung abzugeben, welche Arbeitne...

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