Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan, Abfindung, Gleichbehandlung, Treu und Glauben, Eigenkündigung
Leitsatz (amtlich)
Es widerspricht dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und erscheint willkürlich, wenn ein betriebsbedingt wegen Betriebsstilllegung gekündigter Arbeitnehmer in einem nach Ablauf der Kündigungsfrist und erfolgter Stilllegung abgeschlossenen Sozialplan nur deshalb von einer den gekündigten Arbeitnehmern zugesagten Abfindung ausgeschlossen wird, weil er lange nach Erhalt der betriebsbedingten Kündigung und zum gleichen Endzeitpunkt, wie in dieser vorgesehen, auch noch eine fristgerechte Eigenkündigung ausgesprochen hatte.
Normenkette
BetrVG § 75; GG Art. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 01.03.2001; Aktenzeichen 8 Ca 1806/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.03.2001 (Az. 8 Ca 1806/99 d) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Sozialplananspruch auf Zahlung einer Abfindung zusteht.
Der am 12.08.1943 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 14.07.1976 bei der Gemeinschuldnerin als Arbeiter beschäftigt und verdiente ca. 3.800,00 DM brutto monatlich. Mit Schreiben vom 29.03.1999 kündigte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 31.10.1999 wegen einer zu diesem Datum geplanten Betriebsaufgabe. Ausweislich eines von der Gemeinschuldnerin vorgelegten Rückscheins ging das Kündigungsschreiben dem Kläger durch Übergabe an dessen Ehefrau am 31.03.1999 zu. Der Kläger erhob gegen die Kündigung am 14.04.1999 Kündigungsschutzklage, wobei unter anderem zunächst auch streitig war, ob das Kündigungsschreiben noch im Monat März zugegangen ist.
Am 27.08.1999 wurde seitens der späteren Gemeinschuldnerin Insolvenzantrag gestellt. Der jetzige Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Im September 1999 hatte der Kläger eine Arbeitsstelle bei einem anderen Arbeitgeber in Aussicht. Dieser wünschte jedoch, dass der Kläger diese Stelle bereits vor dem 31.10.1999 antreten solle. Der Kläger setzte sich mit der Gemeinschuldnerin, bzw. dem Beklagten in Verbindung, um eine vorzeitige Freigabe zu erreichen, wurde jedoch abschlägig beschieden. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 27.09.1999 eine Eigenkündigung. Das Kündigungsschreiben des Klägers hat folgenden Wortlaut:
„Betr.: Kündigung
Hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.10.1999.
P.S.: Da ich neue Arbeitsstelle habe, möchte ich die gerne früher antreten mit Ihrem Einverständnis. Hochachtungsvoll” (Bl. 45 d. A.).
Auch nachdem der Kläger ein Schreiben seines potentiellen neuen Arbeitgebers vom 05.10.1999 (Bl. 77 d. A.) vorgelegt hatte, in welchem ihm bescheinigt wird, dass er in dem anderen Unternehmen „sofort beschäftigt werden” könne, die Stelle „jedoch nicht bis 31.10.1999 verfügbar” sei, erteilte der Beklagte nicht die Zustimmung zu einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem 31.10.1999. Im Ergebnis erbrachte der Kläger sodann auch bis zum 31.10.1999 seine Arbeitsleistung für die Gemeinschuldnerin, soweit er nicht arbeitsunfähig krank geschrieben war.
Mit Wirkung zum 01.11.1999 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter benannt (Bl. 20 f. d. A.).
Ein Übernahmeangebot durch die Firma Detombay Kirchberg oder einer Auffanggesellschaft war dem Kläger seinerzeit nicht gemacht worden. Der Kläger war nach dem 31.10.1999 zunächst für ca. vier Wochen arbeitslos, da die Stelle, die er in Aussicht gehabt hatte, anderweitig besetzt worden war. Etwa vier Wochen später ergab sich durch Ausscheiden eines anderen Mitarbeiters für den Kläger doch noch die Möglichkeit, bei dem neuen Arbeitgeber anzufangen.
Am 14.02.2000 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat der Gemeinschuldnerin einen Sozialplan. Dessen Geltungsbereich ist in § 1 wie folgt beschrieben:
„Dieser Sozialplan gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer/innen (ohne die leitenden Angestellten) der Firma August Detombay GmbH, die bis zum 31.10.1999 in einem Arbeitsverhältnis standen und die aufgrund der Betriebsstilllegung aus dem Betrieb ausscheiden und nicht von der Firma D. K. oder der Auffanggesellschaft übernommen wurden.
Nicht mit unter den Sozialplan fallen die Mitarbeiter/innen, die den Betrieb vor dem 31.10.1999 freiwillig verlassen, bzw. selbst gekündigt haben.”
(Bl. 49 – 54 d. A.)
Das Sozialplanvolumen wurde auf 120.000,00 DM begrenzt. Die Abfindung berechnet sich nach einem Punktsystem. Dem Sozialplan war eine Namensliste beigefügt, in dem elf anspruchsberechtigte Personen mit den jeweils ihrer Punktzahl entsprechenden Abfindungsbeträgen aufgeführt sind. Der Name des Klägers befindet sich nicht auf dieser Liste.
Der Kläger hat von seinem ursprünglichen Kündigungsschutzantrag Abstand genommen und statt dessen die ...