Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweites Versäumnisurteil trotz zwischenzeitlicher Verhandlung in einem weiteren Gütetermin und trotz Unterbrechung durch Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Korrekturmöglichkeiten bei einem trotz Insolvenz verkündeten Zweiten Versäumnisurteil.
2. Zu der bislang vom BAG und BGH nicht geklärten Frage, wie der Gemeinschuldner das Rechtsmittel der Berufung einlegen und durchführen kann, wenn gemäß § 117 InsO die Prozessvollmacht erloschen ist.
3. Zu der Frage, ob nach einem Versäumnisurteil in der Güteverhandlung und zwischenzeitlicher Verhandlung beider Parteien in einer auf den Einspruch hin anberaumten weiteren Güteverhandlung im darauf folgenden Kammertermin bei erneuter Säumnis ein Zweites Versäumnisurteil ergehen darf.
4. Zur notwendigen Zurückverweisung trotz § 68 ArbGG, wenn das angefochtene Urteil trotz Verfahrensunterbrechung ergangen ist.
Normenkette
ZPO §§ 240, 249, 345, 514, 538; ArbGG §§ 54, 68; InsO §§ 80, 117
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 23.11.2006; Aktenzeichen 22 Ca 1623/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.11.2006 verkündete Zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln – 22 Ca 1623/06 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an das Arbeitsgericht Köln zurückverwiesen.
Das Arbeitsgericht hat auch über die Kosten der Berufungsinstanz zu entscheiden.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Sache darum, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, ob dieses beendet ist, um Entgeltzahlung für die Zeit vom 02.01.2006 – 23.01.2006, in der der Kläger Arbeit als Lkw-Fahrer geleistet hat, und um Annahmeverzugsansprüche für die Folgezeit.
Nachdem der Beklagte in der Güteverhandlung vom 12.06.2006 nicht erschienen war, erging ein erstes, der Klage stattgebendes Versäumnisurteil (Bl. 37 – 40 d. A.).
Nachdem der Beklagte durch seinen inzwischen bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten Einspruch eingelegt hatte (Bl. 45 f. d. A.), beraumte das Arbeitsgericht erneut Gütetermin – zunächst auf den 14.08.2006, sodann verlegt auf den 28.08.2006 – an. Im Gütetermin am 28.08.2006 erschienen beide Parteien persönlich und die Prozessbevollmächtigten. Es fand eine Güteverhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde ausführlich erörtert. Sodann wurde der Beschluss verkündet, dass Kammertermin auf den 23.11.2006 bestimmt werde. Das persönliche Erscheinen der Parteien wurde angeordnet.
Am 23.11.2006 erschien für den Beklagten niemand. Es wurde sodann ein Zweites Versäumnisurteil verkündet, mit dem der Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil verworfen wurde. Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 19.12.2006 zugestellte Urteil legte der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 08.01.2007 Berufung ein und begründete diese am 06.02.2007.
Am 09.11.2006 war durch Beschluss des Amtsgerichts Köln über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. C N als Insolvenzverwalter ernannt worden. Dieses war ersichtlich dem Arbeitsgericht nicht bekannt und wurde erst mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagen vom 18.04.2007 dem erkennenden Gericht und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt.
Der Beklagte beruft sich in seiner Berufungsbegründung zum einen darauf, dass die Voraussetzungen zum Erlass eines Zweiten Versäumnisurteils nicht vorgelegen hätten, weil am 28.08.2006 in der Güteverhandlung verhandelt worden sei.
Im Übrigen trägt der Beklagte vor, dass eine schuldhafte Säumnis nicht vorgelegen habe. Dazu ist Folgendes unstreitig:
Dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten wurde das Protokoll der Sitzung vom 28.08.2006 am 08.09.2006 zugestellt. Nach Erhalt des Protokolls wies dieser seine Büroangestellte, Frau A D am 08.09.2006 an, den Kammertermin im Terminkalender zu notieren.
Die Überwachung der Termine ist im Büro des Prozessbevollmächtigten so organisiert, dass die Rechtsanwälte vor Ausstellung des Empfangsbekenntnisses die Handakte vorgelegt bekommen, den Termin sodann im Computer vermerken und die Handakte mit einer gesonderten Anweisung, den Termin im Terminkalender zu notieren, an die zuständige Büroangestellte zurückreichen. Diese notiert den Termin in einem besonderen Terminkalender und trägt zusätzlich eine Woche vor dem Termin eine Vorfrist ein. Außerdem wird die Eintragung im Terminkalender in den Handakten vermerkt. Vor Ablauf der Vorfrist wird die Sache dem sachbearbeitenden Anwalt als Wiedervorlage vorgelegt. Am Tag vor dem Termin wird die Sache mit einem besonders auffälligen Aufkleber dem Sachbearbeiter mit dem Vermerk „Gerichtstermin” vorgelegt. Zu Büroschluss wird vorsorgehalber nochmals kontrolliert, ob alle Terminsakten vorgelegt wurden.
Die Eintragung und die Kontrolle der Termine oblag der Büroangestellten Frau A D. Frau A D führte bislang, wie regelmäßige Kontrollen des Prozessbevollmächtigten ergeben hatten, den Terminkalender während ihrer einjährigen Täti...