Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Fahrers von Gefahrguttransporten wegen Verschweigens eines negativen betriebsärztlichen Votums
Leitsatz (amtlich)
1) Es erscheint zweifelhaft, konnte im zu entscheidenden Fall aber dahingestellt bleiben, ob die ärztliche Schweigepflicht es einem Betriebsarzt verbietet, das Ergebnis einer Untersuchung über die gesundheitliche Eignung eines Arbeitnehmers als Fahrer von Gefahrguttransporten (sog. G-25-Untersuchung), welches lautete: "befristete gesundheitliche Bedenken", auch ohne Einwilligung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber mitzuteilen.
2) Jedenfalls stellt es einen schweren Arbeitsvertragsverstoß dar, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, wenn der Arbeitnehmer selbst das Ergebnis der Untersuchung dem Arbeitgeber verschweigt und in mehreren Arbeitsgerichtsverfahren und -instanzen sogar die Existenz eines betriebsärztlichen Votums wahrheitswidrig leugnet.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 04.12.2014; Aktenzeichen 10 Ca 2160/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.12.2014 in Sachen 10 Ca 2160/14 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche fristlose arbeitgeberseitige Kündigung vom 19.03.2014, dem Kläger zugegangen am 20.03.2014, aufgelöst worden ist.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Kündigungsschutzklage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des vom Kläger angegriffenen Urteils vom 04.12.2014 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 05.01.2015 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 29.01.2015 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 31.03.2015 - am 30.03.2015 begründen lassen.
Der Kläger und Berufungskläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Sach- und Streitstoff im Hinblick auf § 626 Abs. 1 BGB fehlerhaft bewertet und die Norm falsch angewandt. Der Kläger behauptet, dass er im November/Dezember 2012 und der Zeit danach keineswegs aus gesundheitlichen Gründen fahruntauglich gewesen sei, was bei der Beurteilung des Kündigungsgrundes hätte berücksichtigt werden müssen. Ebenso habe das Arbeitsgericht verkannt, dass er in den Vorprozessen keine bewusst wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, sondern die ihm vom Gericht und der Beklagten als solche angekreideten Äußerungen aus seiner subjektiven Sicht keineswegs falsch gewesen seien.
Ferner meint der Kläger, dass vor Ausspruch der Kündigung in jedem Fall eine Abmahnung erforderlich gewesen sei. So habe er ihm Rahmen des Annahmeverzugsprozesses am 17.01.2014 die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht befreit und damit seine Kooperationsbereitschaft gezeigt und dokumentiert, dass eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe.
Schließlich leitet der Kläger die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung daraus her, dass in ihrem Vorfeld der Betriebsrat unvollständig und fehlerhaft angehört worden sei. Dies folge u.a. schon daraus, dass die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt habe, der Kläger habe gewusst, dass er zwischen dem 05.11. und 20.12.2012 nicht fahrtauglich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf den vollständigen Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 25.03.2015 sowie sein weiteres Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 11.08.2015 Bezug genommen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln, 10 Ca 2160/14, vom 04.12.2014 abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 19.03.2014, zugestellt am 20.03.2014, aufgelöst worden ist.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das vom Kläger angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil. Die streitige Kündigung sei, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe, als außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt; denn zum einen stehe nunmehr fest, dass der Kläger die Mitteilung der Betriebsärzte der B G vom 08.11.2012, wonach gegen seinen Einsatz als Fahrer von Gefahrguttransporten befristete gesundheitliche Bedenken bestünden, nicht an sie, die Beklagte, als Arbeitgeberin weitergeleitet und damit Offenbarungspflichten in schwerwiegender Weise verletzt habe. Ferner stehe fest, dass er die Existenz einer solchen Bescheinigung der B G vom 08.11.2012 über befristete gesundheitliche Bedenken in beiden Instanzen des vorangegangenen Kündigungsschutzprozesses - Arbeitsgericht Köln, 12 Ca 5919/12 = LAG Köln, 7 Sa 537/13 - sowie in dem Zahlungsprozess Arbeitsgericht Köln, 16 Ca 4960/13, mehrfach wah...