Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Tankwagenfahrers auf Annahmeverzugsvergütung bei fehlender G25-Tauglichkeit
Leitsatz (redaktionell)
Einem Lkw-Fahrer steht bei fehlender Bescheinigung der Geeignetheit nach dem G25-Standard Annahmeverzugsentgelt nicht zu.
Normenkette
BGB §§ 297, 611
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 01.04.2014; Aktenzeichen 16 Ca 4960/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.04.2014 - 16 Ca 4960/13 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Monate März 2013 bis Januar 2014 als Annahmeverzugs-Entgelt jeweils das Bruttogehalt abzüglich der Nettobeträge an erhaltenem Arbeitslosengeld zu zahlen. Der Streit der Parteien geht im Wesentlichen darum, ob der Kläger in diesen Monaten außerstande war, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu bewirken (§ 297 BGB).
Die Beklagte hat dem Kläger am 10.01.2013, zugegangen 11.01.2013 fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt (Bl. 9 d. A.). Das Arbeitsgericht Köln hat am 25.04.2013 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht beendet worden ist, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verurteilt und ebenfalls unter dem Gesichtspunkt von Annahmeverzug die Gehälter für Dezember 2012 bis Februar 2013 tituliert. Dieses Urteil ist - mit geringfügigen Änderungen in der Höhe der Entgeltansprüche für Februar 2013 - durch Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen vom Landesarbeitsgericht Köln mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Dezember 2013 bestätigt worden (7 Sa 537/13).
Wegen Vorkommnissen, die auch Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, hat die Beklagte am 19.03.2014, zugegangen am 20.03.2014, erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 20.08.2015 die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen (7 Sa 217/15). Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Kläger war seit dem 01.10.2006 als Tankwagenfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist ein europaweit tätiger Anbieter von Transport- und Logistikdienstleistungen im Bereich der Mineralölindustrie und beliefert im Auftrag ihrer Kunden u. a. Tankstellen. Der Kläger ist ausweislich seines Arbeitsvertrages (Bl. 4 ff. d. A.) als Tankwagenfahrer am Standort K beschäftigt gewesen.
Bei den transportierten Mineralölen handelt es sich um Gefahrgüter der Gefahrenklasse 3 (entzündbare flüssige Stoffe gemäß dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße). Jeder Fahrer muss bei der Beklagten vor dem Einsatz als Alleinfahrer eine Vorsorgeuntersuchung nach "G 25" (DGUV Grundsatz "Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten") absolvieren. Zu diesem DGUV Grundsatz existiert, herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (DGUV) ein vom Arbeitskreis "Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten" in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis "Betriebsärztliche Tätigkeiten" des Ausschusses "Arbeitsmedizin" der DGUV erstellter "Leitfaden für Betriebsärzte zur Anwendung des G 25" (Bl. 385 ff. d. A.). Diesen Leitfaden haben Arbeitsmediziner bei der sogenannten "G 25-Untersuchung" zu beachten.
Bei der Vorsorgeuntersuchung nach G 25 wird von dem jeweiligen Betriebsarzt festgestellt, ob aus medizinischer Sicht Bedenken gegen die Eignung als Fahrer eines Tankwagens bestehen. Die vom Betriebsarzt über die Untersuchung ausgestellte Bescheinigung enthält - je nach Ausgang der Untersuchung - die Angabe "teilgenommen" (sofern eine abschließende Beurteilung nicht möglich war), "geeignet" oder "(befristete) gesundheitliche Bedenken". Die von der Beklagten als Betriebsärzte eingesetzte Ärzteorganisation BAD erstellt Bescheinigungen über die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die am Schluss den Hinweis enthalten: "Halten die untersuchte Person oder der Arbeitgeber das Untersuchungsergebnis von Vorsorgeuntersuchungen für unzutreffend, so entscheidet auf Antrag die zuständige Behörde." (vgl. z. B. Bl. 195 d. A.).
Für die Dauer der Beschäftigung bei der Beklagten werden für die Tankwagenfahrer in Abständen von zwei Jahren Wiederholungsuntersuchungen durchgeführt. Über diese Untersuchungen verhält sich auch das bei der Beklagten geführte "Fahrer-Handbuch" (Anlage B 1 - Bl. 135 ff. d. A.).
Die Beklagte hat sich als Rechtsgrundlage für die Vorsorgeuntersuchungen und deren Bedeutung auf § 21 Abs. 1 SGB VII, auf § 7 Abs. 2 der BGV A 1 "Unfallverhütungsvorschrift Grundsätze der Prävention" (Auszüge Anlage B 2 - Bl. 138 ff. d. A.) und § 35 Abs. 1 GUV-V D 29 "Unfallverhütungsvorschrift Fahrzeuge" (Auszüge mit Durchführungshinweisen Anlage B 3 - Bl. 140 d. A.) bezogen.
Der Kläger litt im Jahre 2009 an Schlafstörungen, wegen derer er im Schlaflabor des J -K in B untersucht wurde. Nach Vortrag des Klägers hatte er die von ihm ...