Sicht des Arbeitgebers
Das durchaus berechtigte Interesse des Arbeitgebers liegt eindeutig darin, Schäden an Mensch und Material zu verhindern um nicht in Haftungsprobleme zu geraten. Es soll verhindert werden, dass Beschäftigte wegen fehlender Eignung Schäden verursachen bzw. Schaden erleiden.
Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber etwas unreflektiert annehmen, dass die Bescheinigung der gesundheitlichen Eignung für eine konkrete Tätigkeit eine generelle Aussage über die „Qualität” eines Beschäftigten ermögliche. Das ist natürlich Unsinn.
Genauso kommt es leider immer noch vor, dass Arbeitgeber die Bescheinigung der Teilnahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge gemäß ArbMedVV als Eignungsnachweis betrachten. Welch tiefer Griff in die Mottenkiste der Arbeitsmedizin – und in keinem Falle rechtskonform. Allein der Inhalt der Bescheinigung spricht für sich: Nach einer durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorge wird die Teilnahme bescheinigt. Eine Bescheinigung einer Eignungsuntersuchung muss immer Stellung zur Eignung beziehen.
Sicht des Arbeitnehmers
Für Beschäftigte hat die Durchführung von Eignungsuntersuchungen mehrere Aspekte. Zunächst einmal ist eine der mit Abstand häufigsten Antworten im betriebsärztlichen Alltag auf die Frage „warum sind Sie denn hier?” ein beherztes „weil ich einen Termin habe” – verbunden mit einem etwas gequälten Lächeln.
Das ist in der Regel Ausdruck der Befürchtung, der Betriebsarzt werde ja schließlich vom Arbeitgeber bezahlt, also sei er auch dessen „Kontrolldoktor” und „Interessensverwalter”. Dem kann in der Regel mit einem Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht schnell und wirksam abgeholfen werden. Es ist aber für den Betriebsarzt auch ein Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber nicht über den Sinn einer Eignungsuntersuchung informiert hat – was eindeutig seine Aufgabe ist, denn eine Eignungsuntersuchung ist eine arbeitsrechtliche Maßnahme.
In Betrieben, die sich einer länger bestehenden hochwertigen betriebsärztlichen Betreuung erfreuen können, sollten diese Aspekte übrigens kein Thema (mehr) sein, weil die Beschäftigten wissen, worum es geht und weil zum Betriebsarzt eine langjährige Vertrauensbeziehung besteht.
Darüber hinaus lässt sich Beschäftigten sehr gut vermitteln, dass die Eignungsuntersuchung nicht nur der Sicherheit Anderer diene, sondern eben auch der Sicherheit des gerade Untersuchten.
Beispiel: „Wir stellen hier sicher, dass niemand auf dem Werksgelände Stapler fährt, der halb blind und halb taub ist. Das wäre für alle Beteiligten gefährlich und das wollen Sie auch nicht; stimmt´s?”
Damit ist klar: Eignungsuntersuchungen haben vordergründig natürlich die Risikominimierung des Arbeitgebers zum Ziel, letztlich aber eben auch die der Beschäftigten selber. Ein Aspekt, der gerne vergessen wird.
Trotzdem sind Eignungsuntersuchungen Eingriffe in die persönliche Freiheit und ggf. auch in die persönliche Unversehrtheit (Blutentnahme) und sind für Ärzte nur mit Zustimmung der untersuchten Person erlaubt – wie immer in der Medizin!
Sicht der Fachkraft für Arbeitssicherheit
Für Fachkräfte für Arbeitssicherheit hat die Durchführung von Eignungsuntersuchung wieder andere Aspekte. Zunächst einmal muss sie sich darüber im Klaren sein, dass die Durchführung von Eignungsuntersuchungen genauso dem STOP-Prinzip zu folgen hat, wie alle anderen Maßnahmen der Arbeitssicherheit! Es wird eben nicht „jeder untersucht, der nicht bei drei auf dem Baum ist”. Sondern wie immer wird auch hier im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung kritisch ausgewählt, bei welcher gefahrgeneigten Tätigkeit der Nachweils der gesundheitlichen Eignung wirklich erforderlich ist.
Beispiel: Beschäftigte müssen zweimal im Jahr zwei Wochen lang während des Urlaubs aller anderen Staplerfahrer zwei bis drei Mal während der Schicht gefüllte Großbehälter mit dem Stapler durch leere Behälter ersetzen, die gleich nebenan stehen. Dauert fünf Minuten.
Je nach Betriebsgröße lassen sich daraus mehrere hundert Eignungsuntersuchungen „erzeugen” – oder vielleicht auch gar keine, wenn die Gefährdungsbeurteilung sachgerecht durchgeführt wird und zu dem Schluss kommt, dass das Gefährdungspotential bei dieser konkreten Arbeitsaufgabe durch etwaige Eignungsmängel nicht ansteigt.
Denken Sie als Fachkraft für Arbeitssicherheit daran: Eignungsuntersuchungen sind immer ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Und das steht höher als die Betriebssicherheitsverordnung, die übrigens Eignungsuntersuchungen NICHT regelt.
Sicht des Betriebsarztes
Für Betriebsärzte hat die Durchführung von Eignungsuntersuchungen erneut andere Aspekte. Zunächst einmal ist der „Auftrag zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung” ein Begutachtungsauftrag. In der Konstellation im Betrieb ist zudem die Auftragslage von Bedeutung, welche in der Praxis wie folgt formuliert werden kann:
- Arbeitgeber sagt zum Beschäftigten: „Bring mir bitte den Nachweis Deiner gesundheitlichen Eignung für die Tätigkeit XYZ”
- Beschäftigter geht zum Betriebsarzt und sagt: „Mein Arbeitgeber will von mir den Nachweis meiner gesundheitlichen Eignung für die Tätigkeit XYZ”
- Der Betriebsarzt sagt: „Ich kenne ja Ihre Tätigkeit XYZ von den Begehungen, weiß also, welche Anforderungen an die gesundheitliche Eignung dort bestehen.”
- Es schließt sich eine auf die Tätigkeit ausgerichtete Anamnese (ärztliche Befragung) an sowie die in Kenntnis der Tätigkeit erforderlichen Untersuchungstechniken. Siehe dazu weiter unten. Wenn Anamnese und Untersuchung abgeschlossen sind, wird der Arzt in der Regel ein Bild von der gesundheitlichen Eignung des Beschäftigten für diese konkrete Tätigkeit haben.
- Der Betriebsarzt erstellt dann eine Bescheinigung über die gesundheitliche Eignung und gibt diese dem Beschäftigten mit. Vernünftigerweise in zwei Ausführungen, eine zur Weitergabe an den Arbeitgeber und eine weitere zum Verbleib beim Beschäftigten.
- Der AG bekommt niemals eine Eignungsbescheinigung direkt vom Betriebsarzt übermittelt. Wegen der fehlenden Rechtsgrundlage wäre dies ein Verstoß gegen § 203 StGB (ärztliche Schweigepflicht). Mögliche Ausnahme: Der Beschäftigte hat der Weitergabe ausdrücklich und nach Abschluss der Eignungsuntersuchung (datenschutzrechtliche schriftliche Einwilligung nach § 4a BDSG) zugestimmt. Das lässt sich allerdings nur individuell und nicht pauschal (z.B. Betriebsvereinbarung) regeln.
- Arbeitgeber/Vorgesetzter muss prüfen, ob die Bescheinigung abgegeben wurde. Tut er das nicht, hat er die Erfüllung des erteilten Auftrages eben nicht überprüft. Das ist nicht das Problem des untersuchenden Arztes. Dieser hat mit Ausstellung der Bescheinigung und Übergabe an den Beschäftigten seinen Teil erfüllt.
- Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang übrigens immer wieder zu Missverständnissen führt: Wenn externe Betriebsärzte erbrachte Leistungen abrechnen, dürfen auf der Rechnung niemals Namen untersuchter Personen auftauchen. Der AG hat jederzeit über die abgegebenen Bescheinigungen die Kontrolle darüber, wer wann welche Vorsorge oder Eignungsuntersuchung hatte.
Übrigens: Wird die Übergabe der Bescheinigung mit der Bemerkung verknüpft „damit Sie jederzeit nachsehen können, was drin steht”, ist das eine Stärkung des Vertrauensverhältnisses zum Betriebsarzt. Denn optimalerweise (!) wird sich ein Beschäftigter unter vier Augen an den Betriebsarzt wenden, wenn er ein Eignungsproblem befürchtet.
Anmerkung: Es wäre unrealistisch anzunehmen, dass Beschäftigte bei Eignungsuntersuchungen immer und uneingeschränkt „die Wahrheit” sagen. Wie immer bei Arztbesuchen wird auch hier beschönigt, weggelassen und gelegentlich auch gelogen, dass sich die Balken biegen. Das ist aber nicht das Problem des Betriebsarztes: „Ich bin Arzt und kein Staatsanwalt, jeder darf mich anlügen. Sie müssen aber mit den Konsequenzen leben können.” Unter der Voraussetzung einer langjährigen Vertrauensbeziehung kann dann auch eine Eignungsuntersuchung sinnvoller Bestandteil einer guten betriebsärztlichen Betreuung sein.