Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Verdachtskündigung. Verdachtskündigung und Aufklärung des Sachverhalts. Versetzung eines Fahrers in Springerreserve
Leitsatz (amtlich)
Das vom BAG entwickelte Rechtsinstitut der Verdachtskündigung steht in einem Spannungsverhältnis zu dem Rechtsgrundsatz, dass niemand wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens, das nicht bewiesen ist, Rechtsnachteile erleiden darf. Die Verdachtskündigung ist daher an strenge Anforderungen zu knüpfen und auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken.
Eine Verdachtskündigung scheidet von vorneherein aus, wenn der Arbeitgeber nicht zuvor alle erdenklichen, ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um den Kündigungssachverhalt vollständig aufzuklären.
Zur Wirksamkeit der Versetzung eines Stammfahrers in die Springerreserve wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Normenkette
BGB § 626; SGB IX § 84; GewO § 106; BetrVG § 99; SGB IX § 84 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 25.04.2013; Aktenzeichen 12 Ca 5919/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2013 in Sachen12 Ca 5919/12 teilweise wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, abweichend von Ziffer3 b) des Urteilstenors an den Kläger für den Monat Januar 2013 € 2.452,19 brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.02.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, abweichend von Ziffer3 c) des Urteilstenors an den Kläger für den Monat Februar 2013 € 2.823,90 brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.03.2013 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers im April 2012, um die Wirksamkeit einer von der Beklagten unter dem 10.01.2013 ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen fristgerechten Kündigung sowie um Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum vom 21.12.2012 bis Ende Februar 2013.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 12. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage weitestgehend stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 25.04.2013 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 19.06.2013 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 17.07.2013 Berufung eingelegt und diese am 19.08.2013 begründen lassen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Versetzung des Klägers im April 2012 von einem Arbeitsplatz als Stammfahrer für Tankwagen auf einen Arbeitsplatz als Springer zu Unrecht für unwirksam gehalten. Die Versetzung sei in Anbetracht der vorangegangenen überdurchschnittlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers das mildeste Mittel gewesen, um auf die dadurch verursachten Betriebsablaufstörungen und Beeinträchtigungen des Betriebsfriedens zu reagieren. Zudem seien bei dem Kläger aufgrund der Versetzung nur geringfügige Änderungen in der Art und Weise seines Arbeitseinsatzes und in seinen Arbeitszeiten eingetreten.
Die Beklagte hält auch die streitige Kündigung vom 10.01.2013 weiterhin als außerordentliche Verdachtskündigung für wirksam. Der dringende Verdacht beziehe sich darauf, dass der Kläger der Beklagten das Ergebnis einer weiteren, nach dem 05.10.2012 erstellten Begutachtung durch den betriebsärztlichen Dienst B , welches hinsichtlich seiner Fahrtauglichkeit negativ ausgegangen sein müsse, vorenthalten habe. Dagegen komme es nicht darauf an, ob der Kläger objektiv betrachtet tatsächlich fahruntüchtig gewesen sei. Dementsprechend sei sie, die Beklagte, auch nicht gehalten gewesen, den für den 16.01.2012 angesetzten Termin einer Schlaflabor-Untersuchung abzuwarten.
Da sich der Kläger konsequent weigere, die behandelnde Ärztin des B von der Schweigepflicht zu entbinden, bestehe im Ergebnis der dringende Verdacht, dass die medizinische Beurteilung der B Ende 2012 Bedenken gegen die Einsatzfähigkeit des Klägers festgestellt habe.
Da der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung offensichtlich nicht leistungsfähig gewesen sei, habe nach seiner Freistellung zum 21.12.2012 auch kein Annahmeverzugsanspruch mehr bestanden.
Im Übrigen meint die Beklagte, hilfsweise sei die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auszuschließen. Im Falle einer Vollstreckung drohe ihr ein nicht zu ersetzender Nachteil; denn es sei ihr aus Rechtsgründen unmöglich, den Kläger urteilsgemäß weiter zu beschäftigen, wenn seine gesundheitliche Eignung für die Tätigkeit als Gefahrguttransportfahrer nicht gegeben sei.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2013, Aktenzeichen 12 Ca 5919/12, zu ändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen;
hi...