Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnismäßigkeit einer Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
Eine Abmahnung kann nicht mit der Begründung als rechtswidrig angesehen werden, sie sei unverhältnismäßig, weil der Arbeitgeber als milderes Mittel zunächst eine Ermahnung hätte aussprechen müssen.
Normenkette
BGB § 1004
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 16.02.2016; Aktenzeichen 4 Ca 3123/15) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16.02.2016 zu Aktenzeichen4 Ca 3123/15 teilweise abgeändert.
- Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger die Entfernung der Abmahnung vom 27.04.2015 betreffend den Vorwurf "Ladungssicherung" begehrt.
- Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
- Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits tragen der Kläger zu einem Viertel und die Beklagte zu drei Vierteln. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit von Abmahnungen.
Die Beklagte betreibt eine Spedition. Der am 1957 geborene Kläger ist seit dem 07.07.2003 bei der Beklagten als LKW-Fahrer beschäftigt, zuletzt zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von ca. 2.500,00 €.
Am 17.04.2015 hatte der Kläger in I Ware abzuliefern und sodann neue Ware aufzuladen. Ausweislich der im erstinstanzlichen Kammertermin zur Gerichtsakte gereichten Auswertung der "Tachonova Driver Card Software" (Bl. 190 d. A.) hat der Kläger an diesem Tag um 04:30 Uhr seine Arbeit aufgenommen und alsdann im Zeitraum bis einschließlich 06:05 Uhr im mehrfachen Wechsel die Aktivitäten "Arbeit" und "Fahren" betätigt, mit Ausnahme einer sechsminütigen Pause im Zeitraum von 04:56 Uhr bis 05:02 Uhr. Für den Zeitraum 06:05 Uhr bis 10:10 Uhr stand das vom Kläger betätigte EU-Kontrollgerät (Tachomat) durchgehend auf "Arbeit". Alsdann ist von 10:10 Uhr bis 10:16 Uhr "Fahren" angegeben, für den Zeitraum 10:13 Uhr bis 11:29 Uhr - d. h. für eine Stunde und 13 Minuten - "Ruhe". Alsdann folgt wiederum ein fünfminütiger Zeitraum "Fahren", gefolgt von einer 47minütigen "Pause". Der darauffolgende Zeitraum von 12:21 Uhr bis 16:10 Uhr ist für den Zeitraum von drei Stunden und 49 Minuten wiederum auf "Arbeit" gestellt. Es wechseln sich alsdann wiederum Zeiten von "Pause", "Arbeit" und "Fahren" ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Auswertung der "Tachonova Driver Card Software" (Bl. 190 d. A.) Bezug genommen.
Tatsächlich hat der Kläger jedenfalls nach eigenen unstreitigen Angaben seiner handschriftlichen Notizen auf dem zur Gerichtsakte gereichten Ausdruck der Tachonova Driver Card Softwarte im Zeitraum 07:05 Uhr bis 11:10 Uhr sowie im Zeitraum 13:21 Uhr bis 17:10 Uhr auf die Beladung gewartet.
Am 22.04.2015 hatte der Kläger mit einem Innenlader, mit dem ausschließlich Glas transportiert wird, für den Kunden Saint G , einen der weltweit größten Hersteller von Glasprodukten für die Automobilindustrie, Glas in F abzuliefern. Der Innenlader ist mit einem zusätzlichen Anschlagbalken ausgestattet, welcher zur zusätzlichen Sicherung des Glases bei unterschiedlichen Bandmaßen am Gestell anzubringen ist. Üblicherweise wird das Glas in den Gestellen offen transportiert. Bei der Lieferung am 22.04.2015 war das Glas in Folie bzw. Papier verpackt. Insofern wird auf die vom Kläger im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht zur Gerichtsakte gereichte Foto-Aufnahme (Bl. 196 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger hat den zusätzlichen Anschlagbalken zur zusätzlichen Sicherung des Gestells vor dem Transport nicht angebracht. Bei Ankunft am Ablageort in F war das Glas in einem von fünf Paketen gebrochen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin unter dem 27.04.2015 zwei Abmahnungen. Mit der ersten Abmahnung vom 27.04.2015 (Bl. 186 d. A.) betreffend "Arbeitszeitgesetz" wurde dem Kläger folgender Vorwurf gemacht:
"Am Freitag, den 17.04.2015, haben Sie gegen 06:00 Uhr ein Gestell Glas mit dem LKW (...) in I-Mosciano entladen. Anschließend sollten Sie am selben Tag um 16:00 Uhr dort ein Gestell aufnehmen.
Zwischen Entladung und Beladung hätte der Tachograph auf Pause stehen müssen. Da dieser aber immer noch auf arbeiten stand, haben Sie verantwortungslos gegen das Arbeitszeitgesetz § 21 a verstoßen.
Das Arbeitszeitgesetz besagt ganz klar, dass diese Zeit keine Arbeitszeit ist."
Mit der weiteren Abmahnung vom 27.04.2015, betreffend "Ladungssicherung" (Bl. 187 d. A.), wurde dem Kläger folgender Vorwurf gemacht:
"Am Mittwoch, den 22.04.2015, sollten Sie mit dem LKW (...) Glas in F- C abliefern.
Als Sie dort ankamen, wurde bei der Entladung ein Glasbruch festgestellt. Dieser war dadurch entstanden, da Sie vergessen hatten, einen zusätzlichen Anschlagbalken vor das Gestell zu legen.
Aufgrund der unterschiedlichen Bandmaße am Gestell wäre dieser Balken zwingend notwendig gewesen. (...)"
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Wortlaut der im Kammertermin der ersten Instanz zur Gerichtsakte gereichten Abmahnung...