Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung und objektive Eignung. Bestenauslese in der Privatwirtschaft. Entschädigungsanspruch und Rechtsmissbrauch
Leitsatz (amtlich)
Sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Diskriminierung eines Bewerbers auf eine ausgeschriebene Stelle setzen voraus, dass der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war.
Nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch für die Privatwirtschaft ist davon auszugehen, dass es bereits an der objektiven Eignung des Bewerbers fehlt, wenn der Arbeitgeber in der Stellenausschreibung eine bestimmte Examensnote verlangt und der Bewerber diese Note nicht erreicht hat. Zwar gilt Art. 33 Abs. 2 GG nur für den öffentlichen Dienst, nicht aber für die Privatwirtschaft. Dies bedeutet indes nur, dass der private Arbeitgeber keine Bestenauslese vornehmen muss. Er kann sich jedoch dafür entscheiden, auf die gleichen Kriterien wie der öffentliche Dienst abzustellen. Vor diesem Hintergrund ist die individuelle fachliche und persönliche Qualifikation des Bewerbers für die Stelle entgegen der Auffassung des BAG (18.3.2010 - 8 AZR 77/09) nicht erst auf der Ebene der Kausalität zu prüfen.
Eine Rechtsanwaltskanzlei, die einen Rechtsanwalt mit "null bis zwei Jahren Berufserfahrung" sucht, benachteiligt ältere Bewerber, die für die Stelle objektiv geeignet sind, mittelbar wegen ihres Alters. Die Diskriminierung kann jedenfalls im konkreten Fall nicht mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, die Kanzlei habe das Ziel verfolgt, Personalkosten zu senken bzw. zu begrenzen.
Ein aus § 15 AGG folgender Entschädigungsanspruch kann unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im konkreten Fall ist die Kammer aufgrund mehrerer Indizien zu der Annahme gekommen, dass Rechtsmissbrauch vorliegt.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2; BGB § 242; AGG §§ 1, 3, 8, 10; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 23.01.2013; Aktenzeichen 3 Ca 3734/12) |
Tenor
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23. Januar 2013 - 3 Ca 3734/12 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht eine Entschädigung wegen einer von ihm angenommenen Diskriminierung wegen seines Alters geltend.
Die Beklagte ist eine überregional tätige Anwaltssozietät. Sie stellte im Oktober 2011 auf ihrer Homepage eine Stellenanzeige ein, in der es wörtlich heißt:
"Rechtsanwalt (m/w) für Arbeitsrecht in K gesucht
Was wir uns vorstellen:
Wir suchen einen engagierten Rechtsanwalt (m/w) für unseren Bereich Arbeitsrecht (null bis zwei Jahre Berufserfahrung).
Fachliche Fähigkeiten, frische Ideen und intelligente Beratung verwandeln Sie im Team in den unternehmerischen Erfolg unserer Mandanten - und dieser hilft auch Ihrer eigenen Karriere auf die Sprünge.
Sie sind ein guter Jurist (m/w) mit überdurchschnittlich gutem Examen und haben während Ihre Ausbildung oder bisherigen Berufspraxis bereits Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht gesammelt, Ihr Englisch ist möglichst verhandlungssicher. Sie können sich dafür begeistern, in der ganzen Bandbreite des Arbeitsrechts internationale Konzerne und mittelständische Unternehmen zu beraten.
Wo Sie sich vorstellen:
O C ist eine internationale Wirtschaftskanzlei, die für Mandanten und Mitarbeiter auch mal ungewöhnliche Wege geht. Die J kürte uns deshalb zur Kanzlei des Jahres im Westen 2009/2010. Wir nennen das "Imaginative thinking".
Wenn Sie mehr darüber erfahren und an einer Karriere in unserem unternationalen Umfeld interessiert sind, bewerben Sie sich jetzt als Rechtsanwalt (m/w) für den Bereich Arbeitsrecht bei uns in K .
Wir freuen uns auf Sie."
Nach einer Statistik des Landesjustizprüfungsamtes in Nordrhein-Westfalen bestanden im Jahre 2011 25,39 % der Kandidaten die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note ausreichend und etwas mehr als 50 % mit der Note befriedigend oder besser; 24 % bestanden die Prüfung nicht.
Der im Jahre 1973 geborene Kläger legte das erste juristische Staatsexamen mit der Note befriedigend (6,58 Punkte) und das zweite juristische Staatsexamen mit der Note ausreichend (5,60 Punkte) ab. Er erwarb in Südafrika den Studienabschluss LL.M. Er ist seit mehreren Jahren als Rechtsanwalt tätig und Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Der Kläger bewarb sich mit email vom 25. Oktober 2011 auf die ausgeschriebene Stelle. Der Bewerbung fügte er 16 Bilddateien im jpg-Format bei. Wegen des Inhalts des Bewerbungsschreibens wird auf Bl. 16 d.A. Bezug genommen.
Die Beklagte lehnte die Bewerbung mit Schreiben 16. Dezember 2011 ab. Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 13. Februar 2012 Entschädigung und Schadenersatz wegen Altersdiskriminierung. Die Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche unter dem 28. Februar 2012 zurück. Mit der am 10. Mai 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgt.
Di...