Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem AGG
Leitsatz (amtlich)
Bewirbt sich ein Arbeitnehmer ausschließlich auf altersdiskriminierende Stellenausschreibungen, so kann dieses Verhalten dafür sprechen, dass die Bewerbungen subjektiv nicht ernsthaft erfolgt sind, sondern lediglich die Geltendmachung einer Entschädigung nach dem AGG beabsichtigt ist. Ein solches Verhalten ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
Normenkette
AGG § 15
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 04.03.2014; Aktenzeichen 1 Ca 721/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 04.03.2014, 1 Ca 721/13 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG.
Der Kläger ist am ......1953 geboren. Er absolvierte seine juristischen Staatsprüfungen in den Jahren 1979 und 1983 in Baden-Württemberg und erzielte dabei jeweils die Note befriedigend (7 Punkte). Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger vorgelegten Zeugnisse und Bescheinigungen (Bl. 40, 42, 48 und 49 d.A.) Bezug genommen. Im Jahre 1982 promovierte er zum Doktor der Rechtswissenschaften und erzielte dabei die Note "cum laude" (Bl. 41 d.A.). Seit dem Jahre 1988 betreibt der Kläger eine Rechtsanwaltskanzlei in R. In der Zeit vom 15.11.2007 bis 05.04.2008 nahm er mit Erfolg am Fachanwaltslehrgang Medizinrecht teil. Wegen der Einzelheiten wird auf das im Rahmen der Anlage K 6 eingereichte Zertifikat (Bl. 47 d.A.) Bezug genommen. Den Fachanwaltstitel darf der Kläger nicht führen, da es ihm an der nötigen Anzahl in der Praxis bearbeiteter Fälle fehlt.
Die Beklagte zu 1 ist eine Rechtsanwaltspartnerschaft in H. Sie besteht aus den Beklagten zu 2-4. Die Beklagte zu 1 ist schwerpunktmäßig im Medizinrecht tätig.
Im Heft 13/2013 der Neuen Juristischen Wochenzeitschrift (NJW) schrieb die Beklagte zu 1 die Stelle einer Rechtsanwältin/eines Rechtsanwalts im Bereich des Medizin- und Haftungsrecht aus (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.).
Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom 29.03.2013 auf diese Stellenanzeige (Anlage K 2, Bl. 6 d.A.). Dieser E-Mail fügte der Kläger als PDF-Anhang Bewerbungsunterlagen bei. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 6 eingereichten Unterlagen (Bl. 35-47 d.A.) Bezug genommen. Mit E-Mail vom 03.04.2013 teilte der Beklagte zu 3 dem Kläger mit, dass ihm keine Stelle angeboten werden könne (Anlage K 3, Bl. 7 d.A.). Mit Schreiben vom 04.04.2013 machte der Kläger einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 10.000,- € und Schadensersatzansprüche in Höhe von 50.000,- € geltend (Anlage K 4, Bl. 9 f. d.A.). Hierauf erwiderte der Beklagte zu 2 mit Schriftsatz vom 05.04.2013 (Bl. 11 f. d.A.).
Mit Schriftsatz vom 08.04.2013, der Beklagten zu 1 zugestellt am 15.04.2013, hat der Kläger eine Klage nach § 15 AGG erhoben und dabei zunächst Entschädigungsansprüche und Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Er hat seine Klage hinsichtlich der Schadensersatzansprüche in der ersten Instanz später zurückgenommen.
Der Kläger machte zudem im Jahr 2013 auch Ansprüche nach § 15 AGG gegen weitere Anwaltskanzleien und Unternehmen geltend. Wegen der Einzelheiten dieser Kanzleien und Unternehmen sowie der befassten Arbeitsgerichte wird zunächst auf die von den Beklagten als Anlage B2 vorgelegte Auflistung (Bl. 85 d.A.) Bezug genommen. Neben den 10 dort aufgeführten Anwaltskanzleien bzw. Unternehmen machte der Kläger Schadensersatzansprüche auch gegenüber der Rechtsanwaltskanzlei C2 und C3 in Karlsruhe sowie gegenüber den Rechtsanwälten M in K. geltend. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die von den Beklagten als Anlage B3 vorgelegten Schreiben (Bl. 86-104 d.A.) Bezug genommen. Nach einem Artikel in der Zeitschrift juve vom 09.09.2013, den die Beklagten als Anlage B1 vorgelegt haben, hat der Kläger gegenüber insgesamt 16 Anwaltskanzleien oder Unternehmen im Jahr 2013 Entschädigungsansprüche geltend gemacht (Bl. 93 des Heftes juve 11/13).
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er sei durch die Stellenanzeige der Beklagten diskriminiert worden. Indem die Beklagten einen Berufsanfänger oder jemanden mit kürzerer Berufserfahrung gesucht hätten, hätten sie ihn als älteren Rechtsanwalt diskriminiert. Die Anzeige sei keineswegs altersneutral gewesen. Für die Diskriminierung sei es ausreichend, wenn das Kriterium typischerweise zur Diskriminierung geeignet sei bzw. wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung bestehe. Er sei auch für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen. Differenzierungskriterien könnten nur den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung entnommen werden. Solche Kriterien sprächen nicht gegen ihn. Im Übrigen bedürften auch diejenigen Bewerber eines Schutzes vor Diskriminierung, die nicht jede Vorauss...