Entscheidungsstichwort (Thema)
Unmittelbare oder mittelbare Altersdiskriminierung wegen Anrechnung von Zulagen nach Betriebszugehörigkeit
Leitsatz (amtlich)
Keine unmittelbare oder mittellbare Altersdiskriminierung wegen Anrechnung von Zulagen nach Betriebszugehörigkeit. Altersgruppen, die gegenüber begünstigten Altersgruppen benachteiligt werden, lassen sich nicht abgrenzen.
Normenkette
TV UmBw § 6; AGG §§ 2, 10
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 16.09.2010; Aktenzeichen 1 Ca 919/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.09.2010 – 1 Ca 919/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob eine der Klägerin gewährte Zulage gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 b TV UmBW im Falle einer Tariferhöhung um 2/3 des Erhöhungsbetrages gekürzt werden kann.
Die Klägerin ist am 13.11.1964 geboren. Sie wurde am 16.05.2001 bei der Beklagten als Nachschubhelferin und Gabelstaplerfahrerin in K eingestellt.
Die Bezahlung der Klägerin erfolgte zunächst im Leistungslohn nach den sogenannten Gedingerichtlinien. Seit dem 01.10.2005 findet auf das Arbeitsverhältnis kraft Bezugnahme der TVöD Anwendung.
Im Jahr 2007 erfolgte eine Umgliederung des ehemaligen Gerätehauptdepots K zum Materiallager K. Dadurch änderte sich die Arbeitstätigkeit der Klägerin grundsätzlich nicht. Allerdings entschloss sich die Beklagte im Einvernehmen mit der zuständigen Gewerkschaft ver.di, die Vergütungsberechnung nach dem Gedingelohn (also als Akkordvergütung) zum 31.12.2007 einzustellen. Durch Erlass vom 03.12.2007 entschied die Beklagte, auf den Wegfall des Akkordlohnes den TV UmBW vom 18.07.2001 in der am 03.12.2007 anwendbaren Fassung anzuwenden. Der Klägerin wurde eine persönliche Zulage in Höhe von 265,44 EUR für die entfallende Akkordlohnvergütung gezahlt. Nach § 6 TV UmBW sind solche persönlichen Zulagen bei künftigen Tariflohnerhöhungen anrechenbar. Hierfür sind nach dem Tarifvertrag 3 verschiedene Gruppen gebildet. Bei Mitarbeitern, die noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, wird unabhängig vom Lebensalter die Tariflohnerhöhung zu 2/3 angerechnet. Bei Mitarbeitern, die eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, aber noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, erfolgt eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung zu 1/3 und bei Mitarbeitern, die entweder das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben oder insgesamt eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt haben, erfolgt keinerlei Anrechnung der Tariflohnerhöhung.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, auch bei ihr dürfe die Tariflohnerhöhung überhaupt nicht angerechnet werden. Die Bevorzugung von Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, stelle eine unmittelbare unzulässige Diskriminierung nach dem AGG dar. Auch die Anknüpfung an die Beschäftigungszeit von mehr als 15 bzw. mehr als 25 Jahren stelle eine ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung wegen ihres noch jungen Alters dar.
Nach der Tariflohnerhöhung im Jahre 2008 wurde erstmals für den Monat Januar 2009 bei der Klägerin ein Betrag von 37,14 EUR pro Monat aus der Zulage gekürzt.
Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen auf Zahlung und Feststellung in vollem Umfange entsprochen. Es hat die Ansicht vertreten ein rechtfertigender Grund für die mittelbare Altersdiskriminierung sei nicht gegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.09.2010 – 1 Ca 919/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertieft insbesondere ihre Ausführungen dazu, dass die mittelbare Besserstellung von Arbeitnehmern mit hohem Alter deshalb gerechtfertigt sei, weil deren Chancen am Arbeitsmarkt geringer seien als die jüngerer Arbeitnehmer. Zudem sei die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer geringer. Jüngere Arbeitnehmer könnten statt der weggefallenen persönlichen Zulage aus der früheren Akkordarbeit leichter Leistungsentgelte nach § 18 TVöD erzielen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die fristgerechte und im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Sie führt zur Klageabweisung. Die Klägerin wird durch die vorliegende tarifliche Regelung aus § 6 TV UmBW nicht wegen ihres Alters diskriminiert im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Eine unmittelbare Schlechtdarstellung der Klägerin durch die Anwendung von § 6 Abs. 3 S.2 b TV UmBW auf die wegen des Wegfalls der Akkordlohnvergütung gezahlte persönliche Zulage ist nicht gegeben. Auch wenn die Klägerin bei Kürzung der Zulage im Januar 2009 bereits das 55. Lebensjahr vollendet gehabt hätte, wäre sie doch wegen ihrer Einstellung am 16.05...