Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen vergütungspflichtigen Arbeitsunterbrechungen und unbezahlten gesetzliche Pausen. Annahmeverzugslohnklage einer arbeitsbereiten Flugsicherheitskraft bei arbeitgeberseitig angeordneten Pausen
Leitsatz (amtlich)
1.) Der Arbeitnehmer, der zu dem vom Arbeitgeber festgelegten Schichtbeginn zur Arbeit erscheint, bietet zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise seine Arbeit für die Dauer der Schicht tatsächlich an.
2.) Während sich der Arbeitnehmer in einer gesetzlichen Pause i. S. v. § 4 ArbZG befindet, ist er dagegen aus Rechtsgründen nicht leistungsfähig, § 297 BGB.
3.) Wesensmerkmal der gesetzlichen Ruhepause ist, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von der Pflicht, sich zur Arbeit bereitzuhalten, befreit ist und vor Beginn der Pause erfährt, dass und wie lange er Pause hat.
4.) Dagegen gehört es nicht zu den Wesensmerkmalen einer gesetzlichen Ruhepause, dass deren zeitliche Lage bereits bei Beginn der Tagesarbeitszeit festgelegt wird. Schreibt eine Betriebsvereinbarung Entsprechendes vor und verletzt der Arbeitgeber die Pflicht zur Festlegung der Pause spätestens bei Arbeitsbeginn, so kann dies zu betriebsverfassungsrechtlichen und individualarbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, jedoch verliert die nach der BV "verspätet" angeordnete Pause dadurch nicht ihren Charakter als gesetzliche Pause, wenn sie ansonsten die Voraussetzungen des § 4 ArbZG erfüllt.
5.) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 2 BetrVG bezieht sich auf die zeitliche Lage und Dauer der Pause, nicht jedoch auf die Interpretation des Merkmals "im Voraus" i. S. v. § 4 S. 1 ArbZG.
Normenkette
ArbZG §§ 1, 4; BetrVG § 87; GewO § 106; BGB §§ 297, 611 Abs. 1; ArbzG § 4 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 11.01.2012; Aktenzeichen 9 Ca 5295/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2012 in Sachen9 Ca 5295/11 teilweise wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Auf die Klageanträge zu 2) und 3) hin wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 357,97 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2011 zu zahlen.
Die weitergehenden Klageanträge zu 2) und 3) werden abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagte 20 %.
Für den Kläger wird die Revision zugelassen, für die Beklagte nicht.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darum, ob bestimmte Zeiten der Arbeitsunterbrechung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges von der Beklagten zu bezahlen sind oder ob es sich jeweils um unbezahlte gesetzliche Pausen im Sinne von § 4 Abs. 1 ArbZG handelte.
Der Kläger ist seit dem 15.02.2004 auf dem Flughafen K als Flugsicherheitskraft beschäftigt. Seine monatliche (Mindest-) Arbeitszeit beträgt auf Grund des Urteils des Bundesarbeitsgericht vom 21.06.2011,9 AZR 236/10, 160 Stunden. Seit dem 01.01.2009 besteht das Arbeitsverhältnis nach einem zu diesem Zeitpunkt erfolgten Betriebsübergang zur Beklagten.
Erstinstanzlich hat der Kläger im Hinblick auf den Streit der Parteien über den Umfang der monatlichen Arbeitszeitverpflichtung Differenzlohnansprüche geltend gemacht. Ferner hat er die Bezahlung sogenannter Break-Stunden aus der Zeit von April 2010 bis einschließlich Oktober 2011 nebst zugehörigen Sonntagszuschlägen verlangt. Die Differenzlohnansprüche sind nicht mehr Gegenstand der Berufungsinstanz.
Zu welchen Dienstzeiten der Kläger im Zeitraum April 2010 bis Oktober 2011 jeweils zur Arbeit eingeteilt war, ergibt sich aus den Stundennachweisen für die entsprechenden Monate, die die Beklagte auf den Auflagenbeschluss des Berufungsgerichts vom 15.02.2013 hin als Anlage zum Schriftsatz vom 12.03.2013 zu den Akten gereicht hat (Bl. 210 - 228 d. A.). Die dort aufgeführten Schichtzeiten sind unstreitig.
Aus den Aufstellungen des Klägers in der Klageschrift vom 08.07.2011 (Bl. 4 - 7 d. A.), im Schriftsatz vom 28.09.2011 (Bl. 26 d. A.) und im Schriftsatz vom 07.12.2012 (Bl. 54 f. d. A.) ergibt sich, dass der Kläger an bestimmten Tagen zu bestimmten Uhrzeiten auf Anweisung der Beklagten die Arbeitsunterbrechungen vorzunehmen hatte. Die Aufstellungen des Klägers sind ebenfalls unstreitig. Dies gilt nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2013 auch insoweit, als sich zunächst nach dem Wortlaut des Schriftsatzes der Beklagten vom 12.03.2013 verschiedentlich kleinere Differenzen ergeben hatten.
Die Bezahlung des Klägers in den streitgegenständlichen Monaten ergibt sich aus den Lohnabrechnungen, die die Beklagte ebenfalls als Anlage zum Schriftsatz vom 12.03.2013 zur Akte gereicht hat (Bl. 233 - 258 d. A.).
Auf Grund eines Einigungss...