Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach erfolgloser verhaltensbedingter Kündigung. Auslegung des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Gewährung von Beiträgen zu einer Zusatzversorgung "nach Ablauf der Probezeit"
Leitsatz (redaktionell)
1. Die arbeitsvertragliche Klausel, dass dem Arbeitnehmer "nach Ablauf der Probezeit" Beiträge zu einer zusätzlichen Altersversorgung gewährt werden, ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers erst ab dem Ende der Probezeit und nicht rückwirkend zum Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzt.
2. Eine verhaltensbedingte Kündigung, die darauf gestützt wird, dass der Arbeitnehmer dienstliche E-Mails an ein privates E-Mail-Konto weitergeleitet hat, um sie dort zu speichern, erweist sich ohne vorherige Abmahnung als unwirksam.
3. Gleichwohl ist das Arbeitsverhältnis gem. KSchG durch das Gericht aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer Kompetenzen seines Vorgesetzten immer wieder infrage stellt und keine Bereitschaft zeigt, Anordnungen Folge zu leisten.
Normenkette
KSchG § 9 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.02.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1984/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.02.2021 - 4 Ca 1984/19 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache um die Leistung von Zusatzversorgungsbeiträgen für die Zeit vom 01.02.2018. bis 31.07.2018, um die Wirksamkeit einer Kündigung vom 27.09.2019, sowie für den Fall, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet um die Frage, ob dieses durch das Gericht aufzulösen ist und ob weitere außerordentliche und ordentliche Kündigungen das Arbeitsverhältnis beendet haben. Zudem streiten die Parteien um die Entfernung von fünf Abmahnungen und die Weiterbeschäftigung des Klägers.
In § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ist zur betrieblichen Altersversorgung folgendes geregelt:
"(2) Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Probezeit (§ 2 Abs. 2 dieses Vertrages) 6,45 % des unter § 4 Abs. 1 dieses Vertrages vereinbarten Bruttomonatsgehalts für eine zusätzliche Altersversorgung bei dem VBLU in Bonn an. Insgesamt können 6,9 % des unter § 4 Abs. 1 dieses Vertrages vereinbarten Gehalts für diese zusätzliche Altersversorgung zur Verfügung gestellt werden. Davon trägt der Arbeitgeber 6,45 % und der Arbeitnehmer 0,45 %. Dieser Betrag wird nur unmittelbar an die VBLU ausgezahlt. Der Arbeitnehmer erklärt sich damit einverstanden, dass der entsprechende Betrag von seinem Gehalt während der Dauer des Arbeitsverhältnisses einbehalten und in seinem Namen und für Rechnung an den VBLU weitergeleitet wird."
Die Beklagte hat für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses keine Beiträge abgeführt. Der Kläger versteht den Arbeitsvertrag so, dass nach Ablauf der Probezeit auch rückwirkend für die ersten sechs Monate Beiträge zu zahlen seien. Das Arbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag anders ausgelegt und die Klage insoweit abgewiesen.
Hinsichtlich der Kündigung vom 27.09.2019 hat das Arbeitsgericht das Fehlverhalten des Klägers für noch nicht so schwerwiegend erachtet, dass in der Abwägung zu diesem Zeitpunkt bereits die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer verhaltensbedingten Kündigung nach § 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes begründet gewesen wäre. Hinsichtlich der Einzelheiten des Streits über die Kündigungsgründe und den Berufungsvortrag der Parteien wird auf den Akteninhalt und die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2019 gegen Zahlung einer Abfindung von 8.379,77 € aufgelöst. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Der Kläger war während des Verfahrens in einer Psychotherapie bei dem psychologischen Psychotherapeuten D . H P . Dieser fertigte zur Vorlage beim Amtsgericht unter den 12.07.2021 einen Befundbericht (Bl. 1400 der Akte,), der vom Kläger mit Schriftsatz vom 26.07.2021 vorgelegt wurde. Der Befundbericht lautet wie folgt:
"Hiermit wird bescheinigt, dass sich Herr D . M A aufgrund einer depressiven Symptomatik zu mir in psychotherapeutische Behandlung begab. Nach gründlichen anamnestischen Befragungen, psychodiagnostischen Untersuchungen, Symptom- und Verhaltensanalysen sowie bedingungsanalytischer Ermittlungen und Rekonstruktionen konnte ein berufliches, krankheitswertiges, pathogen-relevantes Mobbing als Ursache bzw. Auslöser einer depressiven Belastungsstörung ausfindig gemacht und spezifiziert werden. Konkret handelte es sich um den schikanösen, herabwürdigenden "Führungsstil" des direkten Vorgesetzten, der aus Einschüchterungsversuchen, widersprüchlichen, schwammigen und inkonsistenten Aussagen, Aufträgen, Aufgabendefinitionen bzw. -zuteilungen, unsachlich geäußerten Vorwürfen und unvorhersehbaren Em...