Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen Nachstellens. Vortäuschen von Arbeitunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zu einer verhaltensbedingten Kündigung wegen beharrlichem Nachstellen sowie Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1; BGB §§ 626, 622
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 17.08.2023; Aktenzeichen 14 Ca 2197/23) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.08.2023 - 14 Ca 2197/23 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 05.04.2023 sowie Ansprüche des Klägers auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
Der Kläger ist seit dem 20.04.2021 bei der Beklagten auf Basis des Arbeitsvertrages vom 12./13.04.2021 (Bl. 26 der erstinstanzlichen Akte) beschäftigt, zuletzt als Customer Service Representative zu einem monatlichen Bruttogehalt iHv. 2.521,33 EUR.
Die Beklagte betreibt ein Mietwagenunternehmen und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Der Kläger war ursprünglich in der Filiale der Beklagten in G eingesetzt. Am 29.12.2022 informierte der Kläger seinen Vorgesetzten, Herrn H, dass der damalige stellvertretende Filialleiter in G, Herr He, einen Mietwagen entgegen einem Verbot der Beklagten zu privaten Zwecken mit nach Hause genommen habe. Herr H glaubte dies dem Kläger nicht und bezichtigte ihn der Lüge. Daraufhin wandte sich der Kläger an den Filialleiter der Filiale in K-, der Mitglied des Ethik-Komitees der Beklagten ist, welcher dem Kläger mitteilte, dass er sich darum kümmern werde. Eine weitere Mitteilung erhielt der Kläger in der Folgezeit seitens des Filialleiters der Filiale in K- nicht.
Zum 26.01.2023 versetzte die Beklagte den Kläger in die Filiale am Flughafen K. Am 26.01.2023 erschien der Kläger unentschuldigt nicht zur Arbeit. Diesbezüglich kam es zu einer WhatsApp-Konversation zwischen dem Kläger und Herrn He, in der der Kläger dazu aufgefordert wurde, "Flexzeit" zum Überstundenabbau einzureichen. Der Kläger äußerte sich auf diese Aufforderung wie folgt:
"R ich wünsche dir auch ein schönen Abend. Mir geht es nicht gut ich werde morgen zum Arzt gehen! Heißt das ich nicht Flexen kann!"
Ab dem 27.01.2023 war der Kläger krankgeschrieben bis zum 03.03.2023.
Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 27.01.2023 (Bl. 97 der erstinstanzlichen Akte) eine Abmahnung, da er sich an diesem Tag nicht bei seinem Vorgesetzten gemeldet habe, um ihn über seine Abwesenheit in Kenntnis zu setzen, sondern lediglich seinem Kollegen am Abend zuvor per WhatsApp die Information gegeben habe, dass er sich nicht gut fühle und zum Arzt gehen werde.
In der Zeit vom 06.03.2023 bis zum 16.03.2023 arbeitete der Kläger in der Filiale der Beklagten am K Flughafen. Ab dem 17.03.2023 war er erneut krankgeschrieben. Am 22.03.2023 fuhr der weiterhin krankgeschriebene Kläger in die Umgebung des Wohnsitzes von Herrn He nach S. Dort entdeckte er gegen 21 Uhr ein Mietfahrzeug der Beklagten in der Nähe der Privatanschrift von Herrn He und machte ein Lichtbild von dem Fahrzeug und der Straßenanschrift sowie der Uhrzeit (Bl. 94 der erstinstanzlichen Akte). Am 23.03.2023 fuhr der Kläger an der Filiale in G vorbei und stellte fest, dass dieses Auto nunmehr in der Garage stand. Auch davon fertigte er dann zwei Fotos (Bl. 95 f. der erstinstanzlichen Akte).
Ebenfalls am 23.03.2023 unterrichtete der Kläger den Chef des Ethik-Komitees, Herrn B, über den Sachverhalt und übersandte ihm die Fotos. In der Folge sprach die Beklagte aufgrund des Vorfalles gegenüber Herrn He eine außerordentliche Kündigung aus.
Die Beklagte hörte den Kläger am 05.04.2023 zum Vorwurf der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit sowie des Nachstellens und Beschattens des Herrn He an. Die Einzelheiten des Gesprächs sind streitig.
Mit Schreiben vom 05.04.2023 (Bl. 23 der erstinstanzlichen Akte), welches dem Kläger am selben Tag zuging, erklärte die Beklagte dem Kläger die außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum nächstmöglichen Termin.
Mit seiner am 24.04.2024 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 27.04.2023 zugestellten Klage wehrte sich der Kläger gegen die Kündigung. Er behauptete, er habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelchen Mitarbeitenden der Beklagten nachgestellt. Er habe sie auch nicht observiert und beschattet. Er habe lediglich einmalig Lichtbilder von einem Mietfahrzeug der Beklagten gemacht und sich zu keinem Zeitpunkt an den direkten Wohnort von Herrn He begeben. Das Foto vom 22.03.2023 habe er in einer Entfernung von etwa 500 Metern zu der Privatadresse des Herrn He aufgenommen. Er habe dabei im vermuteten Interesse der Beklagten gehandelt und einen Nachweis für das Fehlverhalten eines Kolleg...