Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Übertragungszeitraum. Surrogationstheorie
Leitsatz (amtlich)
1. Endet das Arbeitsverhältnis eines langfristig erkrankten Arbeitnehmers vor Ablauf des Urlaubsübertragungszeitraumes, sind die Urlaubsansprüche des Vorjahres ohne weiteres abzugelten. Auf die Frage, ob und wie lange der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter arbeitsunfähig bleibt, kommt es nach Aufgabe der Surrogationstheorie nicht mehr an.
2. Der durch § 26 Abs. 1 TVöD begründete übergesetzliche Mehrurlaub teilt nach richtiger Ansicht im Falle langandauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers uneingeschränkt das Schicksal des gesetzlichen Urlaubsanspruchs, d. h. er bleibt auch über den Ablauf des tariflichen Übertragungszeitraumes hinweg erhalten, wenn er bis dahin wegen der Erkrankung nicht in Anspruch genommen werden konnte.
Normenkette
BUrlG § 7; TVöD § 26
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 01.10.2010; Aktenzeichen 5 Ca 4621/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.10.2010 in Sachen 5 Ca 4621/10 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.195,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers für 10 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2009.
Der am 1952 geborene Kläger war seit dem 08.05.1996 bis zum 31.03.2010 als Hauswart bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatslohn betrug 2.590,49 EUR brutto. § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien lautet wie folgt: „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Als Beginn des Beschäftigungsverhältnisses gilt der 08.05.1996” (Bl 8 d. A.).
Auf Grund der in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien enthaltenen Verweisungsklausel waren zuletzt die Regeln des TVöD auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Dies führte unter anderem zur Anwendbarkeit des § 26 TVöD über den Erholungsurlaub. § 26 TVöD lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 26
Erholungsurlaub
[Abs. 1] Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr
…
nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage.
…
Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.
[Abs. 2] Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:
- Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.
- … „
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2010 durch ordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung beruht auf einem Vergleich, den die Parteien am 29.10.2009 in dem Verfahren Arbeitsgericht Köln 4 Ca 8834/09 geschlossen haben. Ziffer 3 dieses Vergleichs lautet:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ordnungsgemäß abgewickelt wird.”
Auf den vollständigen Vergleichstext (Anlage K 2, Bl. 13 f. d. A.) wird Bezug genommen.
Bereits mit Anwaltsschreiben vom 12.04.2010 hatte der Kläger die Abgeltung seines gesamten gesetzlichen und tariflichen Urlaubs geltend gemacht. Mit ihrer Schlussabrechnung gewährte die Beklagte dem Kläger Urlaubsabgeltung für 20 Urlaubstage des Urlaubsjahres 2009 und für weitere acht Urlaubstage des Urlaubsjahres 2010.
Mit der vorliegenden, am 07.06.2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Abgeltung weiterer zehn Urlaubstage für das Urlaubsjahr 2009 zu einem – rechnerisch unstreitigen – Gegenwert von 1.195,65 EUR brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass für das Urlaubsjahr 2009 nicht nur der gesetzliche Mindesturlaub, sondern auch der tarifliche Mehrurlaubsanspruch abzugelten sei. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 a) TVöD selbst.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.195,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, aus der neueren Urlaubsrechtsprechung des EUGH folge nur ein Anspruch des Klägers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs. Dies gelte insbesondere deshalb, weil § 26 Abs. 1 TVöD eine klar vom Bundesurlaubsgesetz losgelöste eigenständige Regelung zum Url...