Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Unternehmerentscheidung. Sozialauswahl. Vergleichbarkeit. Austauschkündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Beschließt ein Arbeitgeber, durch Stilllegung einzelner Produktionsanlagen seine Produktionskapazität zu verkleinern, generiert er aber weiterhin Aufträge in einem Umfang, bei dem von vornherein feststeht, dass er mit der verkleinerten Kapazität nicht bewältigt werden kann, und kommt es dementsprechend nur wenige Monate nach der Teilstilllegungsentscheidung wiederum zu einer Ausweitung der Produktionskapazität auf mindestens den vorigen Stand, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Teilstilllegungsbeschluss nicht auf Dauer angelegt war.
2. Die Kündigung eines Packers, dessen Arbeitsplatz nicht weggefallen ist, zugunsten eines Maschinenbedieners, dessen Arbeitsplatz eingespart wurde, kann nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, dass an Packer-Arbeitsplätzen künftig nur noch Personen beschäftigt werden sollen, die auch in der Lage sind, Maschinen zu bedienen, wenn der betroffene Packer i. S. v. § 1 Abs. 3 KSchG sozial schutzwürdiger und überdies in der Lage ist, die Qualifikation eines Maschinenbedieners in zumutbarer Zeit zu erlernen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 15.06.2005; Aktenzeichen 2 Ca 3060/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.06.2005 in Sachen 2 Ca 3060/04 EU wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Kündigungsschutzklage des Klägers in vollem Umfang stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 15.06.2005 Bezug genommen.
Das Urteil des ersten Rechtszuges wurde der Beklagten am 01.09.2005 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 28.09.2005 Berufung einlegen und diese am 02.11.2005 begründen lassen.
Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und wendet sich im Einzelnen gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die in ihrem Betrieb in K von Leiharbeitnehmern eingenommenen Arbeitsplätze im Rechtssinne als frei zu gelten hätten und mit dem Arbeitsplatz des Klägers vergleichbar bzw. gleichwertig seien. Darüber hinaus beanstandet die Beklagte, dass das Arbeitsgericht auch auf eine fehlerhafte Sozialauswahl im Vergleich des Klägers mit dem Mitarbeiter S abgestellt habe. Der Kläger habe richtigerweise selbst nie behauptet, sozial schutzbedürftiger zu sein als der Mitarbeiter S; denn letzterer sei zwar ebenso wie der Kläger kinderlos verheiratet, aber um 16 Jahre älter und gut 10 Jahre länger im Betrieb beschäftigt.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das am 15.06.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn, Az. 2 Ca 3060/04 EU, aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie auch den Hilfsantrag des Klägers gemäß Schriftsatz vom 17.02.2006 zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf sofortige Wiedereinstellung als Arbeiter zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter Anrechnung der bisherigen Tätigkeitszeit seit dem 15.07.1994 anzunehmen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte macht in erster Linie geltend, dass es für die streitige Kündigung schon an einem hinreichenden betrieblichen Grund fehle. Es habe keine Unternehmerentscheidung gegeben, die einen dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes zum Gegenstand gehabt hätte und entsprechend umgesetzt worden sei. Sowohl er, der Kläger, als auch die anderen gekündigten Mitarbeiter, arbeiteten nach wie vor bei der Beklagten und seien mit ihrer ganzen vertraglichen Arbeitszeit voll ausgelastet.
Auch die – mit Nichtwissen bestrittene – Kündigung von Aufträgen durch die Großkunden A und L habe die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der Zu- und Abgang von Aufträgen sei Normalität und führe nicht zu einem Arbeitsplatzwegfall. Die Beklagte bemühe sich laufend um neue Aufträge und habe seinerzeit auch bereits mit dem Kunden M in Verhandlungen gestanden.
Auch die Sozialauswahl sei unzureichend, da sie sich auf alle Maschinenführer habe erstrecken müssen. Zwar sei richtig, dass der Zeuge S nicht weniger sozial schützwürdig sei als er, der Kläger. Das von der Beklagten selbst geschilderte Beispiel des Zeugen S zeige jedoch, dass der Vortrag der Beklagten zu den angeblich so langen Einarbeitungszeiten an den Maschinen unwahr sei.
Des weiteren bekräftigt der Kläger die Auffassung des arbeitsgerichtlichen Urteils, wonach auch die im Werk K mit Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze kündigungsschutzrechtlich als freie Arbeitsplätze zu gelten hätten und für ihn, den Kläger, geeignet gewesen ...