Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerzahl eines Betriebes
Leitsatz (amtlich)
1) Ein ruhendes Arbeitsverhältnis ist bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht immer mitzuzählen. Es kommt auf die Personalstärke an, die den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnet. Deshalb bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung. Danach sind in der Regel Arbeitnehmer mitzuzählen, die sich in Elternurlaub befinden oder die vorübergehend, wenn auch längerfristig, erkrankt sind. Ein Arbeitnehmer, der seit langer Zeit so erkrankt ist, dass mit einer Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht mehr zu rechnen ist, ist jedoch nicht mitzuzählen, auch wenn das Arbeitsverhältnis formal noch besteht.
2) Eine Ersatzkraft, die für den gekündigten Arbeitnehmer eingestellt wurde, ist neben diesem nicht zusätzlich mitzuzählen.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 30.07.2008; Aktenzeichen 2 Ca 2994/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.07.2008 – 2 Ca 2994/07 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten – soweit das im vorliegenden Berufungsverfahren noch anfällt – um die Wirksamkeit einer dem Kläger am 29.10.2007 ausgesprochenen Kündigung zum 30.11.2007. Der Streit geht im Wesentlichen darum, ob auf den Betrieb der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz nach § 23 KSchG Anwendung findet und ob die Kündigung aus außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegenden Gründen unwirksam ist.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 25.08.2008 zugestellte Urteil vom 30.07.2008 hat der Kläger am 26.08.2008 Berufung eingelegt und diese am 04.09.2008 begründet. Er wendet sich im Wesentlichen mit Ausführungen zur Beweiswürdigung und zur nach seiner Auffassung erforderlichen Vernehmung weiterer Zeugen gegen das erstinstanzliche Urteil. Wegen des genauen Inhalts der Berufungsbegründung wird auf diese (Bl. 191 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn, AZ: 2 Ca 2994/07 vom 30.07.2008, zugestellt am 25.08.2008, abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 208 ff. d. A.) Bezug genommen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg.
Die Kammer folgt dem Ergebnis und zum größten Teil auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung und nimmt daher zunächst gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf diese Bezug. Dieses gilt mit den im Folgenden darzustellenden Abweichungen und Ergänzungen im Hinblick auf die Argumente der Berufung:
A. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG beschäftigte.
I. Zu den Personen, deren Beschäftigungsumfang in der Berufungsinstanz noch streitig ist, gilt Folgendes:
1. Zu Frau D
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Beschäftigungsumfang Frau D. 20 Wochenstunden nicht überschritt und dass diese deshalb mit dem Faktor 0,5 anzurechnen ist. Dazu meint die Berufung, das Arbeitsgericht habe die Aussagen Frau D. in der Beweisaufnahme nicht richtig gewürdigt. Der Kläger beruft sich darauf, dass Frau D. erklärt hat: „Ich habe also 4,5 Stunden täglich an fünf Tagen gearbeitet” und dass sie weiter gesagt hat: „Um 12:00 Uhr bin ich praktisch nie aus dem Betrieb herausgekommen, es war 12:30 Uhr, 13:00 Uhr und manchmal auch 13:30 Uhr.” Und ferner: „Ich hatte auch darüber hinaus regelmäßig Überstunden.”
Nach ganz herrschender Auffassung ist grundsätzlich die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, nicht die tatsächlich geleistete relevant. Überstunden bleiben regelmäßig außer Betracht. Auch kurzfristige Arbeitsschwankungen bleiben unberücksichtigt. Die im Jahresdurchschnitt tatsächlich pro Woche geleistete Arbeit ist dann maßgeblich, wenn es entweder an einer Vereinbarung über die regelmäßige Wochenarbeitszeit im Arbeitsvertrag fehlt oder wenn dauerhaft und nachhaltig die Arbeitszeit abweichend von der Regelung im Arbeitsvertrag geleistet wird (vgl. ErfK/Kiel § 23 KSchG Rn. 16; APS/Moll § 23 KSchG Rn. 31; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 23 Rn. 42; KR/Weigand § 23 KSchG Rn. 35; Grunski/Moll Arbeitsrecht und Insolvenz Rn. 22; Löwisch/Spinner KSchG § 23 Rn. 21; Stahlhacke/Preis WiB 1996, 1029). Soweit der Kläger sich für da...