Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrente. betriebliche Übung
Leitsatz (amtlich)
– im Anschluss an LAG Köln – 10 Sa 1352/10 v. 10.06.2011 –
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar auf Grund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden.
2. Für das Entstehen einer betrieblichen Übung genügt es, dass der Arbeitgeber den objektiven Eindruck einer bindenden Zusage und damit einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand gesetzt hat.
Normenkette
BetrAVG § 1b Abs. 1 Ziff. 4
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 04.11.2010; Aktenzeichen 6 Ca 11587/09) |
Nachgehend
Tenor
1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.11.2010 – 6 Ca 11587/09 – abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass die Klägerin über den 01.09.2009 hinaus einen Anspruch auf monatliche Gewährung einer betriebliche Altersversorgung in Höhe von 413,12 EUR hat.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 153,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente.
Die am 13.01.1937 geborene Klägerin war 01.06.1967 bis 31.03.1992 als Tarifangestellte bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der chemischen Industrie. Sie beschäftigte früher mehr als 1000 Mitarbeiter. Nach Einstellung der Produktion 1994 wird das Unternehmen als Handelsgesellschaft mit derzeit fünf Mitarbeitern fortgeführt, um unter anderem die Absicherung der Versorgungszusagen an die ehemaligen Mitarbeiter zu gewährleisten.
Die Beklagte gewährt ihren ehemaligen Arbeitnehmern, darunter dem Kläger, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der „Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung (Fassung vom 06.05.1968) für Arbeiter und Angestellte” in der Fassung eines Einigungsstellenspruchs vom 04.12.1993. Die Beklage teilte per Aushang von 10.12.1986 „Gewährung von Betriebsrenten” (Anlage 2 zum Schriftsatz vom 05.04.2011) mit:
„Die C gewährt abweichend vom Wortlaut der Altersversorgungszusagen die Firmenrente auch schon vor dem Erreichen des 65. Lebensjahres, ohne versicherungsmathematische Abschläge vorzunehmen. Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung ist verlangt worden, die Altersversorgungszusagen entsprechend zu ändern. Aus diesem Grunde werden die Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung in den Fassungen vom 6. Mai 1968 und 1. Januar 1974 wie folgt ergänzt:
IV: 2. „Die Altersrente wird gezahlt, wenn der Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Dienstverhältnissen der C ausscheidet.
Sie wird auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vorher ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. In diesen Fällen werden keine versicherungsmathematischen Abschläge vorgenommen.
C GmbH … Betriebsrat”
Die Klägerin schied bei der Beklagten einvernehmlich mit 56 Jahren im Rahmen einer der Frühpensionierung aufgrund des Sozialplans vom 01.02.1989 zum 31.03.1992 aus. Auf das Schreiben der Beklagten vom 10.04.1991 (Anlage 3) wird verwiesen. Seit dem 01.02.1997, der Vollendung seines 60. Lebensjahres, bezieht die Klägerin eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente der Beklagten. Mit Schreiben vom 21.03.1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit:
„Nach § 2 Abs. 6 BetrAVG sind wir verpflichtet, ausscheidenden Mitarbeitern eine Anwartschaftsberechnung für den Versorgungsfall in „vollendetes 60. Lebensjahr” zu geben. Mit Rücksicht auf die Bestimmung des Sozialplanes haben wir in Ihrem Fall das 63. Lebensjahr als Eintrittsdatum für den Versorgungsfall gewählt.
Unabhängig von dieser für den Auskunftsfall vorgesehenen Regelung besteht gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG in jedem Fall ein Anwartschaftsanspruch nur in Form eines Teilbetrages an der Rente, die ohne das vorherige Ausscheiden im Versorgungsfall angefallen wäre, d. h. also zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmalig die Sozialversicherungsrente bezogen wird.
Da es in Frühpensionierungsfällen abzusehen ist, dass diese Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersrente beziehen werden, haben wir für diesen Personenkreis bereits vorsorglich die Werksrente für den Versorgungsfall „vollendetes 60. Lebensjahr” ermittelt. Die für Sie bestimmte Berechnung fügen wir bei. Zugleich weisen wir darauf hin, dass die Berechnung neu erstellt werden muss, falls im Einzelfall der Versorgungsfall zu einem anderen Zeitpunkt eintritt.”
(Anlage 1 zum Klägerschriftsatz vom 17.02.2011)
Die Beklagte zahlte der Kläger ab 01.02.1997 eine Betriebsrente bis einschließlich August 2009 in Höhe von monatlich 413...