Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Grad des Tatverdachts bei einer Verdachtskündigung. Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Verdachts der Täuschung über eine Nachbuchung von Urlaubstagen

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Verdachtskündigung darf der dringende Tatverdacht nur relativ geringfügig hinter dem Grad der Gewissheit bei der Tatkündigung zurückbleiben und muss in jedem Fall einen deutlich höheren Wahrscheinlichkeitsgrad aufweisen als die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer die ihm vorgeworfene Vertragsverletzung in Wirklichkeit nicht begangen hat.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 26.02.2015; Aktenzeichen 3 Ca 2399/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.02.2015 in Sachen 3 Ca 2399/14 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Kündigungsschutzklage in vollem Umfang stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.02.2015 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 24.03.2015 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 20.04.2015 Berufung eingelegt und diese am 21.05.2015 begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt zunächst klar, dass sie an der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nicht festhält, weil eine solche aus tarifvertraglichen Gründen nicht mehr möglich war.

Darüber hinaus stellt die Beklagte klar, dass sie die außerordentliche Kündigung nicht mehr auf den Verdacht eines Arbeitszeitbetruges stützt, den die Klägerin nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten am Montag, den 01.09.2014 begangen haben soll.

Im Übrigen hält die Beklagte aber an der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 02.10.2014 und den zu deren Rechtfertigung erstinstanzlich vorgebrachten verhaltensbedingten Sachverhalten fest.

So bleibt die Beklagte bei ihrer Auffassung, dass der dringende Verdacht bestehe, die Klägerin habe am Freitag, den 29. August 2014 einen (versuchten) Arbeitszeitbetrug begangen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Voraussetzungen des dringenden Tatverdachts als nicht bewiesen angesehen. Hätte es sich mit dem Aussagegehalt der Erklärungen und den zeitlichen Abläufen näher auseinandergesetzt, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Aussagen der Klägerin nicht zutreffen können, jedenfalls aber sehr unwahrscheinlich seien.

Die Beklagte hält auch an dem Vorwurf fest, dass die Klägerin ihren Vorgesetzten durch Übersendung eines Bildschirmausdrucks darüber habe täuschen wollen, dass sie die zunächst unterbliebene Buchung von vier Urlaubstagen aus Februar/März 2014 ordnungsgemäß nachgeholt habe, obwohl dies jedenfalls im Zeitpunkt der Erstellung des Bildschirmausdrucks ersichtlich nicht der Fall gewesen sei. Jedenfalls hätte die Klägerin ihren Vorgesetzten zeitnah darüber informieren müssen, wenn nachträglich die Speicherung der nachgetragenen Urlaubstage fehlgeschlagen sein sollte.

Den gravierendsten Pflichtverstoß sieht die Beklagte jedoch darin, dass die Klägerin anlässlich ihrer Freistellung ab dem 03.09.2014 es trotz Aufforderung unterlassen habe, sämtliche Arbeitsmittel vollständig zurückzugeben, sondern die SIM-Karte ihres Diensthandys, eine Ultrakarte und eine weitere Datenkarte behalten habe. Sie habe auch den Vorgesetzten darüber getäuscht, dass sie die technischen Geräte vollständig zurückgegeben habe.

Ferner habe sie die dienstliche SIM-Karte verbotswidrig in ihr Privathandy eingesetzt und dazu beschädigt, indem sie sie auf Mini-Karten-Format zurechtgeschnitten habe. Schließlich habe sie auch mit Hilfe der SIM-Karte weiter private Telefonate geführt. Sie habe sich ferner trotz ihrer Freistellung in das dienstliche IT-System eingeloggt, um dort diverse Daten in ihrem Kalender zu löschen. Auch das Arbeitsgericht habe hierin einen Pflichtverstoß der Klägerin gesehen, jedoch aufgrund einer fehlerhaft durchgeführten Interessenabwägung zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nochmals der Ausspruch einer Abmahnung vorrangig gewesen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.02.2015,3 Ca 2399/14, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und bleibt dabei, dass sie sich in keinem der von der Beklagten angesprochenen Sachverhaltskomplexe rechtswidri...

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