Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmiergeldverbot. erneute Durchführung einer Beweisaufnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Wer sich als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile versprechen lässt oder entgegennimmt, die dazu bestimmt oder auch nur geeignet sind, ihn in seinem geschäftlichen Verhalten zugunsten Dritter und zum Nachteil seines Arbeitgebers zu beeinflussen, und damit gegen das sog. Schmiergeldverbot verstößt, handelt den Interessen seines Arbeitgebers zuwider und gibt diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Es reicht vielmehr aus, dass der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. In Fällen dieser Art liegt die eigentliche Ursache dafür, dass ein solches Verhalten die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, nicht so sehr in der Verletzung vertraglicher Pflichten, sondern in der damit zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, unbedenklich eigene Vorteile bei der Erfüllung von Aufgaben wahrnehmen zu wollen, obwohl er sie allein im Interesse des Arbeitgebers durchzuführen hat. Durch sein gezeigtes Verhalten zerstört er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit.
2. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO, der über § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren Anwendung findet, ist das Berufungsgericht an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und hiernach eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an den vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich dabei insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Liegt ein derartiger Verfahrensfehler vor, obliegt dem Berufungsgericht die tatsächliche Inhaltskontrolle des erstinstanzlichen Urteils unbeschadet einer entsprechenden Berufungsrüge.
3. Die erneute Durchführung einer Beweisaufnahme gemäß § 398 Abs. 1 ZPO ist geboten, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will als die erste Instanz, aber auch dann, wenn sich die nicht nur theoretische Möglichkeit einer unterschiedlichen Wertung ergeben kann
Normenkette
BGB § 626; ZPO § 629 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 09.09.2010; Aktenzeichen 8 Ca 2939/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09. September 2010 – 8 Ca 2939/09 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Mai 1986 als Müllwerker zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.900 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung.
Die Beklagte mahnte den Kläger erstmals am 21. Juli 2005 ab. Sie hielt ihm vor, Müll eines in einem „fremden” Abfuhrrevier gelegenen Supermarkts gegen Gewährung von Sachleistungen entsorgt zu haben.
Eine weitere Abmahnung sprach die Beklagte am 20. Dezember 2006 wegen des Einsammelns von Geldzuwendungen bei Bürgern in K. (sog. „Neujährchen”) aus.
Die Beklagte setzt auf einem Müllwagen drei Arbeitnehmer (einen Fahrer und zwei Müllwerker) ein. Zu dem Revier, dem der Kläger zugeordnet war, gehörte der Wohnkomplex W. S.. Die Müllcontainer befinden sich in der Tiefgarage. In der Vergangenheit brachten die Hausmeister des Wohnkomplexes die Müllcontainer zur Leerung nicht nach oben. Vielmehr steuerten die Fahrzeuge der Beklagten die Tiefgarage an. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sich die jeweilige Besatzung des Fahrzeuges diese Tätigkeit von den Hausmeistern gesondert bezahlen ließ. Die Beklagte ging ursprünglich davon aus, dass die von ihr angenommenen Zahlungen nicht für das Ansteuern der Tiefgarage, sondern für das Entsorgen sog. „Nebenabfälle” erfolgten. Dabei handelt es sich um Abfälle, die sich nicht in den dafür vorgesehenen gebührenpflichtigen Containern befinden.
Die Beklagte hörte den Kläger am 25. März 2009 zu dem Vorwurf an, er habe in dem Objekt in der W. S. regelmäßig für die Mitnahme von Nebenabfällen Geldzahlungen gefordert und erhalten. Ob sie ihm weiterhin vorhielt, er habe am 27. Februar 2009 von den Hausmeistern F. und F. für den März 2009 die Zahlung von 60 Euro verlangt und im Anschluss vom Hausmeisterbüro aus mit dem neuen Verwalter Herrn R. telefoniert, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger bestritt die Vorwürfe.
Mit Schreiben vom 27. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat wegen der Absicht, eine außerorden...