Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Zahlungsanspruch nach TV Zukunftssicherung Süßwarenindustrie vom 12.02.2018 mangels anwendbarer Rückabwicklungsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Tarifauslegung Tarifvertrag zur Zukunftssicherung vom 12.02.2018 in der Süßwarenindustrie

 

Normenkette

TV Zukunftssicherung Süßwarenindustrie Fassung: 2018-02-12; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 19.11.2020; Aktenzeichen 1 Ca 2501/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.05.2022; Aktenzeichen 4 AZR 455/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 19.11.2020 - 1 Ca 2501/20 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Zahlungsanspruch.

Die Beklagte zu 2) stellt Milchprodukte her. Die Beklagte zu 1) ist deren Tochtergesellschaft und produziert Speiseeis. Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1) und deren Rechtsvorgängerin seit mehreren Jahren in deren Werk in W beschäftigt.

Die Parteien sind über einen Haustarifvertrag an die Tarifverträge der Süßwarenindustrie gebunden.

Am 12.02.2018 wurde unter anderem zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), der Beklagten zu 2) sowie der Gewerkschaft NGG ein "Tarifvertrag zur Zukunftssicherung" (im Folgenden: TV) geschlossen. Dieser enthält unter anderem folgende Regelungen:

"§ 3 Regelungen zur Zukunftssicherung

(1) Entgelterhöhungen aus tarifvertraglichen Vereinbarungen

tarifvertragliche Erhöhungen, die bereits vereinbart wurden oder in kommenden Tarifverhandlungen ausgehandelt werden sollten, werden für die Jahre 2018 und 2019 an den Standorten E und H ausgesetzt.

Danach findet am Standort Haaren der Tarifvertrag "Entgelt Süßwaren NRW" ab dem 01.01.2020 in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. ....

(4) Verschiebung der tariflichen Arbeitszeitveränderung

Für den Standort H verbleibt es bis zum 31.12.2018 bei der wöchentlichen tariflichen Arbeitszeit von 40 Stunden und bis zum 31.12.2019 bei der wöchentlichen tariflichen Arbeitszeit von 39 Stunden. ....

§ 6 Beschäftigungssicherung und Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

Die jeweilige Einzelgewerkschaft verpflichtet sich, bis zum 31.12.2021 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen.

Auch Personalabbau, der aus betriebsändernden Maßnahmen (Verlagerung von Arbeitsplätzen innerhalb der Standorte oder des D Konzerns) entstehen könnte, unterbleibt. Wenn die in § 3 genannten Einsparmaßnahmen für das Jahr 2019 komplett nicht erfolgen, wird der Beschäftigungsschutz von 4 auf 2 Jahre reduziert.

§ 7 Verkauf der Gesellschaften und Insolvenz

(1) Sollte ein Verkauf aller oder einer der Gesellschaften bzw. ihrer Anteile oder Betriebe bis zum Auslaufen der Beschäftigungssicherung stattfinden, werden die in § 3 vereinbarten Veränderungen rückabgewickelt. Das heißt, es gelten die Tarifverträge wieder rückwirkend ab dem 01.01.2018 in ihrer ursprünglichen Fassung. Die Arbeitnehmer/innen werden so gestellt, als hätten sie nicht verzichtet. Ausschluss- oder Verjährungsfristen sind auf diese Ansprüche nicht anwendbar. Im Fall der Rückabwicklung der tariflichen Ansprüche entfällt die Beschäftigungssicherung.

(2) Im Fall eines Insolvenzantrages einer oder aller vorgenannten Gesellschaften bis zum Auslaufen der Beschäftigungssicherung gelten dieselben vorgenannten Regelungen aus Absatz 1.

(3) Die D GmbH haftet für die Verpflichtungen aus den Absätzen 1 und 2.

§ 8 Schlussbestimmungen

Dieser Tarifvertrag tritt am 01.01.2018 in Kraft und gilt (mit Ausnahme der §§ 3 (3) und 6) bis zum 31.12.2019. Er bedarf keiner Kündigung. Eine Nachwirkung ist ausgeschlossen mit Ausnahme der Regelungen in § 3 (1) zweiter Absatz, (2) zweiter Absatz, (3) zweiter Absatz, (4) zweiter Absatz, (5) zweiter Absatz, (6) letzter Satz."

In den Jahren 2018 und 2019 wurde der TV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers angewendet. Im Januar 2020 wurde ein Kaufvertrag über die Geschäftsanteile der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) geschlossen. Der Verkauf wurde am 22.12.2020 vollzogen.

Mit der am 16.07.2020 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Klage macht der Kläger Ansprüche auf Rückabwicklung aus § 7 Abs. 1 i. V. m. § 3 TV geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es bestehe ein Anspruch auf Rückabwicklung des Tarifvertrages in der klageweise geltend gemachten Höhe. Da § 6 TV nach § 8 TV noch gelte, müsse auch § 7 TV, der eindeutig auf § 6 TV verweise, weiterhin Anwendung finden. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung müsse auch bei einem Verkauf nach dem 31.12.2019 eine Rückabwicklung erfolgen. Die Vorschrift des § 8 TV sei daher falsch und unvollständig. Ferner stelle § 7 TV ausdrücklich auf den "Verkauf" und damit auf das Kausalgeschäft ab.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 4.751,93 EUR brutto sowie 12,01 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 29.01.2020 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweise...

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