Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebungsvertrag. Auslegung. betriebliche Altersversorgung. Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer im Rahmen eines Aufhebungsvertrages geänderten Versorgungszusage nach den Bestimmungen des Essener Verbandes (teilweiser Verzicht auf versicherungsmathematischem Abschlag).
Normenkette
BGB § 242; Leistungsordnung Essener Verband § 3; Leistungsordnung Essener Verband § 18
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 25.02.1999; Aktenzeichen 6 Ca 5097/98) |
Tenor
1. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.02.1999 – 6 Ca 5097/98 – wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Kürzung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme des Altersruhegeldes auf 12 % zu beschränken ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers.
Der am 12.02.1938 geborene Kläger war vom 18.01.1965 bis 31.08.1993 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages. Seit dem 01.03.1998 bezieht der Kläger vorgezogenes Altersruhegeld.
Im Jahr 1971 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Altersversorgungszusage nach Maßgabe der Richtlinien des Essener Verbandes. Die für den Kläger maßgebliche Leistungsordnung „A” des Essener Verbandes enthält u.a. folgende Bestimmungen:
„§ 2
Voraussetzung für das Ruhegeld
(1) Ruhegeld erhält ein Angestellter, der aus dem Dienst des Mitglieds ausscheidet, weil er
…
c) Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt.
§ 3
Berechnung des Ruhegelds
…
(7) Nimmt der Angestellte eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch (§ 2 Abs. 1 c), werden die nach Anwendung der Bestimmungen der §§ 8 und 9 ermittelten Leistungen während der gesamten Laufzeit für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens um 0,5 v. H. gekürzt.
§ 11
Berechnung der Leistungen
(1) Bei Eintritt des Leistungsfalles haben ein vorher ausgeschiedener Angestellter und seine nach § 4 leistungsberechtigten Hinterbliebenen ein Anspruch in Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistungen, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht (pro-rata-temporis-Anspruch)….
§ 18
Vorbehalte
Die Leistungen, Ansprüche auf Leistungen und Anwartschaften können gekürzt oder eingestellt bzw. entzogen werden, wenn
…
c) sich die wirtschaftliche Lage des betreffenden Mitglieds nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der Leistung nicht mehr zugemutet werden kann ….”
Im Aufhebungsvertrag vom 06.05.1992 heißt es bezüglich der betrieblichen Altersversorgung des Klägers wie folgt:
„4. Der Anspruch auf Ruhegeld durch den Essener Verband wird nach Eintritt des Versorgungsfalles ermittelt, wobei für die Berechnung der Dienstjahre eine Beendigung des Dienstverhältnisses mit Vollendung des 63. Lebensjahres zugrundegelegt wird. Auf § 3 Ziffer (6) der Leistungsordnung Essener Verband vom 01.01.1989 weisen wir hin. Tritt jedoch der Versorgungsfall vor dem 60. Lebensjahr ein, kann die Dienstzeit auch nur bis zu diesem Zeitpunkt angerechnet werden.”
Mehrere Jahre nach Ausscheiden des Klägers geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Mai 1996 erfuhr der Vorstand der Beklagten, dass hinsichtlich einiger Großaufträge der Tochtergesellschaft K H-W AG Bilanzmanipulationen in erheblichem Umfang vorgenommen worden waren. Auf diese Weise waren erhebliche Verluste entstanden, die zu einer nachhaltigen finanziellen Belastung des gesamten D-Konzerns führten. So bestand im Jahr 1995 für den gesamten Konzern ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 1.134 Millionen DM. Aufgrund des mit der H-W AG bestehenden Beherrschungsvertrages war hiervon insbesondere auch die Beklagte betroffen.
Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten finanziellen Sanierungsmaßnahmen des Konzerns erkannte zunächst der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) zum 01.06.1996 das Vorliegen eines Sicherungsfalls an und erklärte sich bereit, für die Dauer von fünf Jahren die Zahlung aus insolvenzgeschützten unmittelbaren Versorgungszusagen in Höhe von maximal rund 200 Mio. DM zu übernehmen. Die Banken leisteten über Forderungsverzichte, Gewährung neuer Bankkredite, Anteilsübertragungen und Zinsverzichte einen Beitrag von ca. 645 Mio. DM. Die Stadt K und andere Gebietskörperschaften erwarben von der Beklagten Immobilien im Wert von 150 Mio. DM. Die aktive Belegschaft leistete über Arbeitszeitverlängerungen und Vergütungsverzichte einen Beitrag, dessen finanzielle Wirkung mit 62 Mio. DM zu beziffern ist. Schließlich wurden alle widerruflichen Pensionszusagen widerrufen und insolvenzgeschüt...