Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast für unentschuldigtes Fehlen bei behaupteter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ohne Arztbesuch

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 12.11.1998; Aktenzeichen 3 Ca 1083/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.11.1998 – 3 Ca 1083/98 – abgeändert:

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 26. März 1998 weder fristlos noch mit ordentlicher Frist aufgelöst worden ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung bezieht.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch außerordentliche, hilfsweise in eine ordentliche umgedeutete Kündigung beendet worden ist, und um die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Der zum Zeitpunkt der Kündigung 35-jährige Kläger steht seit dem 01.11.1988 in den Diensten des Beklagten, eines Vereins für Gefährdetenhilfe. Der Kläger absolvierte nach einer zunächst vereinbarten Probezeit von 3 Monaten in der Zeit vom 01.02.1989 bis zum 26.03.1991 beim Beklagten eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker mit anschließender Gesellenprüfung. Anschließend arbeitete er überwiegend als Lagerist in einem KFZ-Ersatzteillager. Nach etwa 8-jähriger Beschäftigung als Lagerist wurde er vom Beklagten als KFZ-Mechaniker eingesetzt, wobei die Parteien darüber streiten, ob ihm seinerzeit zugesichert worden sei, nach halbjähriger vertretungsweiser Tätigkeit als KFZ-Mechaniker wieder als Lagerist eingesetzt zu werden. Der Kläger bezog zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 3.110,06 DM. Der Beklagte beschäftigte durchgehend mehr als 5 Arbeitnehmer. Das Kündigungsschutzgesetz findet unumstritten auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Der Kläger lebt allein in einem Hinterhaus und hat kein Telefon.

Ab Dienstag, dem 23.03.1998, fehlte der Kläger bei der Arbeit ohne sich bei dem Beklagten zu melden. Mit Schreiben vom 26.03.1998, dem Kläger zuggangen am 28.03.1998, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Nach Feststellung des Arbeitsgerichts berief er sich vorliegend hilfsweise auf eine umgedeutete ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.1998.

Gegen die Kündigung erhob der Kläger am 17.04.1998 Kündigungsschutzklage.

Im Jahr 1997 war der Kläger am 4. und 7. April nicht zur Arbeit erschienen. Ob dieses wegen Arbeitsunfähigkeit entschuldigt oder unentschuldigt war, ist zwischen den Parteien umstritten.

Der Beklagte erteilte dem Kläger im Jahre 1997 eine undatierte Abmahnung (Blatt 20 d.A.), in der für den 4. und 7. April 1997 formularmäßig angekreuzt ist: „Verlassen des Arbeitsplatzes ohne Genehmigung”, „eigenmächtiger Urlaubsantritt”, „unentschuldigtes Fehlen”. Der Kläger unterschrieb unter dem Vordruck „Ich habe die Abmahnung gelesen und verstanden”.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe seit dem 23.03.1998 krankheitsbedingt gefehlt. Ausweislich eines Attestes vom 30.07.1998 (Blatt 39 d.A.) auf das sich der Kläger bezieht, steht er seit 1993 in unregelmäßiger Behandlung der Ärzte Dr. Tönnies und Dr. Schalk-Axmacher. Es besteht beim Kläger nach diesem Attest eine hypotone Kreislaufsituation, die immer wieder zu Kreislaufregulierungsstörungen mit Übelkeit und Schwindel führen kann. Der Kläger trägt vor: Als er am 23. März 1998 morgens habe aufstehen wollen, sei ihm schwindlig geworden, er habe sich übergeben müssen. Den Rest des Tages sei er – offenbar infolge des niedrigen Blutdruckes – so eingeschränkt gewesen, dass er praktisch den gesamten Tag im Bett habe verbringen müssen. Da er – insoweit unstreitig – allein lebe, die Wohnung sich in einem Hinterhaus ohne nennenswerten Kontakt befinde und er auch kein Telefon habe, er schließlich auch nichts zum Essen in seiner Wohnung gehabt habe, habe er sich auch nicht stärken können und dadurch seinen Kreislauf stabilisieren können. Er habe sich lediglich von Milch und Zwieback ernährt. Auch in den Folgetagen bis Freitag sei ihm ständig schwindlig und so übel gewesen, dass er praktisch die Wohnung nicht habe verlassen können. Er sei über diesen Zeitraum praktisch arbeitsunfähig krank gewesen. Auch dass er – was ihm allenfalls vorgeworfen werden könne – in diesem Zeitraum nicht zum Arzt gegangen sei, habe seinen Grund darin gehabt, dass er nach den geschilderten Umständen nicht in der Lage gewesen sei, das Haus zu verlassen und auch keine Hilfsperson habe ansprechen können, die ihm habe helfen können.

Erst nachdem es ihm am Wochenende gesundheitlich besser gegangen sei, habe er am Samstag, den 28. März 1998 das Einschreiben mit der Kündigung abgeholt. Am folgenden Montag, den 30. März habe er seine Arbeitsleistung im Betrieb des Beklagten angeboten, was aber vom Geschäftsführer Paul Hafke abgelehnt worden sei.

Auch bei dem damaligen Vorgang, der der Abmahnung zug...

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