Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfähigkeit führt nicht ohne weiteres zur Hemmung der Ausschlussfrist, Anforderungen an Anhörung eines Arbeitnehmers vor Verdachtskündigung. Verdachtskündigung. Anhörung des Arbeitnehmers. Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
Die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers führt nicht ohne weiteres zu einer Hemmung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Erforderlich und ausreichend für die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Verdachtskündigung ist, dass er sich zu dem erhobenen Vorwurf äußern kann.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 08.08.2000; Aktenzeichen 5 Ca 1144/00) |
Tenor
1. Die Berufungen der Parteien gegen das am 08.08.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 5 Ca 1144/00 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 05.04.2000 (Kopie Blatt 4 d. A.) wegen des dringenden Verdachts der Unterschlagung zweier sogenannter Digital-LNBs für den Satellitenempfang. Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.08.2000 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.07.2000 fortbestanden hat. Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Blatt 49 f. d. A. Bezug genommen.
1. Die Berufungen beider Parteien sind zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).
2. In der Sache haben die Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung erkannt, dass die außerordentliche Kündigung wegen Verstoßes gegen die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam ist und die hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist von drei Monaten (§ 11 Abs. 7 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrags für den Einzelhandel) zum 31.07.2000 aufgelöst hat. Die Angriffe der Berufungen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Ergänzend ist dazu lediglich festzustellen:
a) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB lief jedenfalls ab Ende Dezember 1999, so dass die dem Kläger am 05.04.2000 übergebene außerordentliche Kündigung verfristet war. Spätestens nach dem Gespräch mit Herrn Halm am 05.12.1999 lagen für die Beklagte hinreichende dringende Verdachtsmomente für eine strafbare Handlung des Klägers vor, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellten. Der Beginn der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Für die Anhörung des Kündigungsgegners gilt eine Regelfrist von einer Woche (vgl. LAG Köln vom 20.07.1995 – 6 Sa 310/95 – LAGE § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 8 m. w. N.). Unter diesem Aspekt und wegen des Erfordernisses der Anhörung des Arbeitnehmers vor dem Ausspruch einer Verdachtskündigung (BAG vom 13.09.1995 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 6) mag es vertretbar gewesen sein, den inzwischen erkrankten Kläger Mitte Dezember 1999 – erneut – und nunmehr schriftlich aufzufordern, sich zu den Widersprüchen zu erklären und den Kassenbon für die Rechnung vom 15.11.1999 über den Kauf zweier LNBs vorzulegen. Da der Kläger dieser Aufforderung binnen angemessener Frist nicht nachkam, hätte die Beklagte die außerordentliche Kündigung aussprechen dürfen und müssen, um nicht nach § 626 Abs. 2 BGB mit dem wichtigen Grund ausgeschlossen zu sein.
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers, die bis Anfang April 2000 fortdauerte, führte nicht etwa zu einer weiteren Hemmung der Ausschlussfrist, wie die Beklagte angenommen hat. Erforderlich und ausreichend für die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Verdachtskündigung ist, dass er sich zu dem erhobenen Vorwurf äußern kann. Das kann auch schriftlich geschehen. Durch die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist die Möglichkeit des schnellen Abschlusses der Ermittlungen durch eine abschließende Anhörung des Klägers nicht beseitigt worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger an einer schriftlichen Stellungnahme gehindert gewesen wäre oder etwa eine Äußerung wegen seiner Erkrankung abgelehnt hätte. Nur dann käme ausnahmsweise eine Hemmung des Ablaufs der Ausschlussfrist in Betracht (vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Auflage, Rdnr. 478).
b) Die ordentliche Verdachtskündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial gerechtfertigt, weil sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Nach den unstr...