Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauer der Arbeitszeit. Blue-pencil-Test. Arbeitszeitverlängerung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Klausel „im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden” handelt es sich um eine nach dem blue-pencil-Test teilbare Klausel.

Bei einer Einsatzsteuerung nach Fremdvorgaben auf Grund mitbestimmter Schichtpläne muss die Arbeitgeberin im Fall eines Aufstockungsverlangens nach § 9 TzBfG darlegen, dass eine sinnvolle Schichtplangestaltung bei Zuordnung von Arbeitsstunden zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis nicht mehr möglich ist. Sie muss auch darlegen, dass alle Verhandlungsmöglichkeiten mit dem Betriebsrat zur Schichtplananpassung an die Arbeitszeitwünsche ausgeschöpft sind.

 

Normenkette

TzBfG § 9; BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 18.05.2009; Aktenzeichen 15 Ca 3663/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.06.2011; Aktenzeichen 9 AZR 236/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.05.2009 – 15 Ca 3663/08 – hinsichtlich der Klageanträge 8 und 9 und der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:

Auf den Hilfsantrag wird die Beklagte verurteilt, das Angebot des Klägers auf Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit von 150 Stunden auf monatlich 160 Stunden mit Wirkung vom 01.12.2007 anzunehmen.

Im Übrigen werden die Klageanträge zu 8 und 9 aus dem o. g. Urteil abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 78 % und die Beklagte zu 22 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 73 % und die Beklagte zu 27 %.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch um den Umfang der Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis sowie hilfsweise um die Aufstockung des Arbeitsvolumens. Der am 11.11.1971 geborene Kläger ist seit mehreren Jahren als Flugsicherheitskraft auf dem Flughafen K eingesetzt. Seit dem 01.01.2009 ist die Nebenintervenientin nach Betriebsübergang Arbeitgeberin des Klägers.

Der Arbeitsvertrag, den der Kläger mit der Beklagten abgeschlossen hat, lautet hinsichtlich der Arbeitszeit wie folgt:

Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten, wobei die Arbeitstage auch auf Samstage, Sonn- und Feiertage fallen können. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem jeweiligen Diensteinsatzplan, der von der Firma rechtzeitig im Voraus erststellt wird. Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen werden durch den Vorgesetzten festgelegt. Die Arbeitszeit beginnt und endet am Einsatzort.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der im März 2007 für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in N -W vom 01.01.2006 Anwendung. § 2 MTV lautet:

  1. Die tarifliche Mindestarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt monatlich 160 Stunden.
  2. Die monatliche Regelarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt im Durchschnitt eines Kalenderjahres 260 Stunden.

Der Kläger hat aus den bei der Beklagten und der Nebenintervenientin geleisteten Arbeitsstunden einen Mittelwert gebildet und einen Stundendurchschnitt von 188 Monatsstunden errechnet.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass der schriftliche Arbeitsvertrag bereits durch die Beklagten mit der tatsächlichen Handhabung der Schichteinteilung abgeändert worden sei, so dass sich ein Beschäftigungsanspruch in Höhe von monatlich 188 Stunden ergebe. Jedenfalls sei die arbeitsvertragliche Klausel, wonach der Stundendurchschnitt 150 Stunden monatlich betrage, insgesamt unwirksam und gänzlich zu streichen. Der hierdurch lückenhaft gewordene Arbeitsvertrag sei durch das „gelebte Arbeitsverhältnis” zu ergänzen. Aus dem geleisteten monatlichen Stundendurchschnitt ergebe sich die vertragliche Verpflichtung, ihm 188 Monatsstunden zuzuweisen. Jedenfalls habe der Wille bestanden, ein Vollzeitarbeitsverhältnis zu begründen. Hierauf richtet sich der Feststellungsantrag.

Hilfsweise macht der Kläger die Aufstockung seines Arbeitszeitvolumens auf 173 Stunden rückwirkend ab 01.12.2007 gemäß § 9 TzBfG geltend. Das Aufstockungsverlangen hat der Kläger gegenüber der Beklagten im November 2007 geltend gemacht.

Die Beklagte hat die Prozessführung hinsichtlich der noch anhängigen Streitgegenstände der Nebenintervenientin überlassen. Diese vertritt die Ansicht, dass die tatsächliche Arbeitszeiteinteilung nicht zu einer Änderung des schriftlichen Arbeitsvertrages führen könne und geführt habe. Letztlich beruhten die schwankenden Arbeitszeiten auf der Ausübung des durch Tarifvertrag vorgesehenen Rechtes, die Mindestarbeitszeit von 160 Stunden auf bis zu 260 Stunden durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts aufzustocken. Die arbeitsvertragliche Klausel sei nur insoweit unwirksam, als sie eine Durchschnittsstundenzahl festlege. Die Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit sei getrennt von der Regelung zur Arbeitszeit als solcher zu beurteilen. Streiche man die Worte „im monatlichen Durchschnitt” ergebe der Arbeitsvertrag mit einer Arbeitspflic...

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