Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauer der Arbeitszeit. Blue-pencil-Test. Arbeitszeitverlängerung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Klausel „im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden” handelt es sich um eine nach dem blue-pencil-Test teilbare Klausel.

Bei einer Einsatzsteuerung nach Fremdvorgaben auf Grund mitbestimmter Schichtpläne muss die Arbeitgeberin im Fall eines Aufstockungsverlangens nach § 9 TzBfG darlegen, dass eine sinnvolle Schichtplangestaltung bei Zuordnung von Arbeitsstunden zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis nicht mehr möglich ist. Sie muss auch darlegen, dass alle Verhandlungsmöglichkeiten mit dem Betriebsrat zur Schichtplananpassung an die Arbeitszeitwünsche ausgeschöpft sind.

 

Normenkette

TzBfG § 9; BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 24.06.2009; Aktenzeichen 18 Ca 902/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.06.2011; Aktenzeichen 9 AZR 238/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.06.2009 – 18 Ca 902/09 – wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.06.2009 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird auf den Hilfsantrag der Klägerin verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Erhöhung der monatlichen Arbeitszeit als Flugsicherheitsfachkraft auf dem Köln/Bonner Flughafen von 150 Stunden auf 160 Stunden monatlich zuzustimmen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie entschieden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Berufung trägt die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang der Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis sowie hilfsweise um die Aufstockung des Arbeitsvolumens. Die am 01.05.1969 geborene Klägerin ist seit mehreren Jahren als Flugsicherheitskraft auf dem Flughafen K. eingesetzt. Seit dem 01.01.2009 ist die Beklagte nach Betriebsübergang Arbeitgeberin der Klägerin.

Unter dem 19.12.2003 unterzeichneten die Klägerin und der vorherige Betriebsinhaber einen Arbeitsvertrag dessen § 2 Abs. 2 wie folgt lautet:

Die Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten, wobei die Arbeitstage auch auf Samstage, Sonn- und Feiertage fallen können. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem jeweiligen Diensteinsatzplan, der von der Firma rechtzeitig im Voraus erststellt wird. Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen werden durch den Vorgesetzten festgelegt. Die Arbeitszeit beginnt und endet am Einsatzort.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der im März 2007 für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in N-W vom 01.01.2006 Anwendung. § 2 MTV lautet:

  1. Die tarifliche Mindestarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt monatlich 160 Stunden.
  2. Die monatliche Regelarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt im Durchschnitt eines Kalenderjahres 260 Stunden.

Die Klägerin hat ihre im Jahr 2008 bei der Betriebsvorgängerin der Beklagten geleisteten Arbeitsstunden aufgeteilt nach den einzelnen Monaten angegeben und hierbei einen Stundendurchschnitt von 180 Monatsstunden errechnet. Die Beklagte hat in Erwiderung die bezahlten Stunden des Jahres 2008 mitgeteilt, woraus sich ein Stundendurchschnitt von 140 Stunden monatlich ergibt. Nach dieser Aufstellung lag die geleistete Stundenzahl in 8 Monaten über 150 Monatsstunden. Nach der Aufstellung der Beklagten hat die Klägerin im Jahr 2009 bis einschließlich Mai im Monatsdurchschnitt 175 Stunden geleistet. Unbestritten hat die Klägerin die Arbeitszeit für Juni 2009 mit 192,5 und für Juli 2009 mit 194,5 Stunden mitgeteilt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass der schriftliche Arbeitsvertrag bereits durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten spätestens aber durch die Beklagte selber durch tatsächliche Handhabung abgeändert worden sei, so dass sich ein Beschäftigungsanspruch in Höhe von monatlich 180 Stunden ergebe. Jedenfalls sei die arbeitsvertragliche Klausel, wonach der Stundendurchschnitt 150 Stunden monatlich betrage, insgesamt unwirksam und gänzlich zu streichen. Der hierdurch lückenhaft gewordene Arbeitsvertrag sei durch das „gelebte Arbeitsverhältnis” zu ergänzen. Aus dem geleisteten monatlichen Stundendurchschnitt ergebe sich die vertragliche Verpflichtung, der Klägerin 180 Monatsstunden zuzuweisen. Jedenfalls habe der Wille bestanden, ein Vollzeitarbeitsverhältnis zu begründen.

Hilfsweise macht die Klägerin die Aufstockung ihres Arbeitszeitvolumens auf 180 Stunden gemäß § 9 TzBfG geltend. Das Aufstockungsverlangen wurde der Beklagten am 10.02.2009 zugestellt.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die tatsächliche Arbeitszeiteinteilung nicht zu einer Änderung des schriftlichen Arbeitsvertrages führen könne und geführt habe. Letztlich beruhten die schwankenden Arbeitszeiten auf der Ausübung des durch Tarifvertrag vorgesehenen Rechtes, die Mindestarbeitszeit von 160 Stunden auf bis zu 260 Stunden durch Ausübung des arbeitgeberse...

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