Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kürzung einer Betriebsrente. Anwendbarkeit des Gleichheitsgrundsatzes. Diskriminierung durch Altersabstandsklausel
Normenkette
GG Art. 3; BetrVG § 75; AGG § 7
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 30.08.2011; Aktenzeichen 5 Ca 3305/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 30.08.2011- 5 Ca 3305/10 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente.
Die Klägerin ist am 1960 geboren und Witwe des am 17.06.2010 verstorbenen früheren Mitarbeiters der Beklagten, R U , der bei der Beklagten langjährig beschäftigt war. Die Klägerin war 24 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann. Die Ehe wurde am 16.03.1990 geschlossen.
Der verstorbene Ehemann bezog bei der Beklagten zuletzt eine Betriebsrente in Höhe von 533,51 € brutto im Monat.
Ab dem 01.07.2010 zahlte die Beklagte an die Klägerin unter Berufung auf ihre Versorgungsordnung eine Witwenrente in Höhe von 64,02 € brutto monatlich.
Diesen Betrag erläuterte die Beklagte der Klägerin in ihrem Schreiben vom 23.07.2010 (Bl. 10 d. A.) so: Der Anspruch auf Witwenrente betrage nach der Versorgungsordnung normalerweise 60 % der zuletzt bezogenen Mannesrente. Voraussetzung sei aber, dass der Verstorbene nicht mehr als 20 Jahre älter gewesen sei. Sei dieses der Fall, so werde die Witwenrente für jedes die Altersdifferenz von 20 Jahren übersteigende volle Jahr um 20 % gekürzt. Im Falle der Klägerin sei dies eine Kürzung von 80 %.
Die auf das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Ehemannes anwendbare Versorgungsordnung war als Betriebsvereinbarung Nr. 103/79 vom 10.01.1980 abgeschlossen worden. Wegen des genauen Inhalts wird auf Bl. 35 - 45 d. A. Bezug genommen. Die Versorgungsordnung enthält hinsichtlich der Zahlung einer Witwenrente u.a. folgende Regelungen:
"2. Voraussetzung für die Gewährung einer Witwenrente ist, dass
2.1 der verstorbene Ehemann nicht mehr als 20 Jahre älter war als die überlebende Ehefrau. War der verstorbene Ehemann mehr als 20 Jahre älter, wird die Witwenrente für jedes die Altersdifferenz von 20 Jahren übersteigende volle Jahr um 20 % gekürzt, so dass bei einer Altersdifferenz von 25 und mehr Jahren keine Witwenrente mehr fällig wird."
Die Klägerin hat sich darauf berufen, die Kürzungsregelung der Witwenrente sie sitten-, gesetzes- und verfassungswidrig. Sie widerspreche insbesondere Artikel 3 GG, aber auch Artikel 1, 2 und 6 GG. Die Klägerin könne nicht schlechter gestellt werden als eine Witwe, die gleich alt sei und nur 10 Jahre jünger als der Verstorbene.
Den Zahlungsantrag (Antrag zu 1) hinsichtlich der Witwenrente hat die Klägerin zuletzt so berechnet, dass sie 60 % der Mannesrente zugrundegelegt hat und davon den monatlich von der Beklagten gezahlten Betrag von 64,02 € abgezogen hat. Diese Differenz verlangt sie für die 6 Monate vom 01.07.2010 bis zum Dezember 2010.
Dem Antrag zu 2. (Antrag auf künftige Leistung) hat sie den Betrag von 60 % der Mannesrente zugrundegelegt.
Die Klägerin, die erstinstanzlich noch weitere Streitgegenstände geltend gemacht hatte, hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.536,54 € brutto zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 03.12.2010;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine laufende Betriebsrente von monatlich 320,11 € zu zahlen unbefristet ab 01.01.2011;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin auf Betriebsrente 2.237,56 € zu zahlen;
4.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 17.06.2010 die der Klägerin zustehende Witwenrente abzurechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, warum nach ihrer Auffassung die Altersabstandsklausel durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Seite 4 - 7 der erstinstanzlichen Entscheidung (Bl.49 - 54 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 20.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.10.2011 Berufung eingelegt und diese am 10.11.2011 begründet.
Da die Berufungsbegründung keinen neuen Sachvortrag enthält und im Wesentlichen aus Rechtsausführungen besteht, wird auf diese, Bl. 78 - 81 d. A., Bezug genommen. Die Klägerin beruft sich zweitinstanzlich auch auf einen Verstoß gegen das AGG und meint im Wesentlichen, im Verhältnis zu der vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 19.12.2008 (6 Sa 399/08) gebilligten Versorgungsordnung, in der die Witwenrente für jedes 15 Jahre Altersunterschied übersteigende Jahr um 5 % gemindert wurde, sei die hier vorgesehene 20 %-ige Kürzung "zu krass" und auch willkürlich. Aber auch die Schaffung der Altersgrenze von 20 Jahren erscheine willkürlich. Das Arbeitsgericht habe auch nicht berücksichtigt...