Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltansprüche in der Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
1. Entgeltansprüche der Arbeitnehmer sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 II InsO, wenn das Insolvenzgericht gegen den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis bestellt und dieser die Arbeitnehmer weiterbeschäftigt hat bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
2. Nach Übergang der Entgeltansprüche auf die BA infolge Zahlung von Insolvenzgeld werden diese zu Insolvenzforderungen (teleologische Reduktion des § 55 II InsO)
Normenkette
InsO §§ 38, 55, 108 Abs. 2; SGB II § 187
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 20.09.1999 – 5 Ca 3683/99 d – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob auf die Klägerin übergegangene Arbeitsentgeltansprüche Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO sind.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 11.02.1999 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Firma K. eingesetzt. Eröffnet wurde das Verfahren mit Beschluss vom 29.03.1999 zum 01.04.1999. Zwischen dem 11.02. und dem 01.04.1999 beschäftigte der Beklagte die Arbeitnehmer weiter, die von der Klägerin für diesen Zeitraum ein Insolvenzgeld in unstreitiger Höhe von DM 58.997,30 erhielten.
Die Klägerin ist der Ansicht, diese auf sie gem. § 187 Abs. 2 SGB III übergegangene Forderung sei eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 2 InsO.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von DM 58.997,30 als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 2 InsO anzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, es handele sich um eine Insolvenzverbindlichkeit nach § 108 Abs. 2 InsO.
Durch Urteil vom 20.09.1999 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der rechnerisch unstreitige Betrag stelle keine Masseverbindlichkeit dar. Zwar handele es sich bei den von den Arbeitnehmern erworbenen Ansprüchen um Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO. § 108 Abs. 2 InsO steht dem nicht entgegen, § 55 Abs. 2 InsO sei die speziellere Norm. Im Wege der teleologischen Reduktion sei § 55 Abs. 2 aber so auszulegen, dass von seinem Geltungsbereich diejenigen Entgeltforderungen der Arbeitnehmer ausgenommen würden, die auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen seien. Für diesen Fall bleibe es bei der Grundregel des § 38 InsO, die Bundesanstalt für Arbeit sei Insolvenzgläubiger.
Wegen des weiteren Inhaltes des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 73 – 83 d.A. Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 02.12.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.12.1999 Berufung eingelegt.
Die Klägerin tritt dem erstinstanzlichen Urteil bei, so weit es die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer als Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 2 InsO und nicht als Insolvenzverbindlichkeiten nach § 108 Abs. 2 InsO angesehen hat. Sie rügt aber, dass das Arbeitsgericht die Regelung des § 55 Abs. 2 InsO im Wege der teleologischen Reduktion nicht auf die Fälle angewandt hat, in denen die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer auf sie, die Bundesanstalt, übergegangen seien. Der vom Arbeitsgericht zur Rechtfertigung herangezogene Wertungswiderspruch bestehe tatsächlich nicht.
Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt gingen mit Stellung des Antrages auf Insolvenzgeld nach § 187 SGB III auf sie über. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ändere sich hierdurch der Rang der Forderung im Insolvenzverfahren nicht. Das Recht, wegen dieser Forderungen als Masseverbindlichkeiten vorweg Berichtigung aus der Konkursmasse gem. § 53 InsO zu verlangen, könne auch sie, die Klägerin, als neue Gläubigerin geltend machen. Dem stünden die sozialrechtlichen Vorschriften des SGB III nicht entgegen. Insbesondere sei das Argument unrichtig, durch das Insolvenzgeld werde die Anreicherung der späteren Insolvenzmasse angestrebt, dies sei schon bei der Gewährung von Konkursausfallgeld der Fall gewesen und mit der Neuregelung des Insolvenzgeldes im SGB III übernommen worden. Tatsächlich sei dies nicht so gewesen; denn schon das Konkursausfallgeld habe nicht die Anreicherung der späteren Konkursmasse angestrebt. Dementsprechend gehe die Auffassung fehlt, der Effekt der Masseanreicherung sei vom Gesetzgeber gewollt gewesen. Vielmehr dürfe das Insolvenzgeld gerade nicht als solches zum Sanierungsinstrument für Unternehmen und Gläubiger geraten und stehe damit nicht im Widerspruch zur zivilrechtlichen Regelung über den rangerhaltenden Forderungsübergang. Weiterhin liege eine planwidrige Regelungslücke, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen sei, nicht vor. Im Gegensatz zur Konkursordnung, die keinerlei Regelungen zur vorläufigen Verwaltung in der Eröffnungspha...