Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Befristungskonstruktion
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zweier Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer vereinbarte Fortsetzung einer sachgrundlosen Befristung über den Zwei-Jahreszeitraum des § 14 Abs. 2 TzBfG hinaus durch Auswechslung des Arbeitgebers bei Fortbeschäftigung auf demselben Arbeitsplatz ist rechtsmissbräuchlich.
2. Der Normzweck des § 14 Abs. 2 TzBfG ist nicht erst dann verletzt, wenn die Vier-Jahresfrist des § 14 Abs. 2a TzBfG überschritten ist.
3. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG darf „zuvor” kein Arbeitsverhältnis bestanden haben. Dieses „zuvor” ist dem Wortlaut nach eindeutig und wurde vom Gesetzgeber – entgegen im Gesetzgebungsverfahren vor dem deutschen Bundestag ausdrücklich gemachter Änderungsvorschläge – nicht zeitlich begrenzt. Der Gesetzgeber wollte nur einmalig den Zwei-Jahreszeitraum des § 14 Abs. 2 TzBfG für eine sachgrundlose Befristung zur Verfügung stellen und Umgehungsformen – die sich unter der Vorgängerregelung in der Praxis breit gemacht hatten – effektiv ausschließen.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 10.08.2010; Aktenzeichen 6 Ca 5316/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2010 – 6 Ca 5316/10 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, die im Arbeitsvertrag vom 02.03.2007 zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der D, vereinbart waren.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Klägerin war aufgrund eines sachgrundlos befristeten Vertrages vom 13.02.2007 in der Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.03.2009 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der D., zu einer Vergütung von zuletzt 2.500,00 EUR; brutto monatlich beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galten laut Arbeitsvertrag die Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf diesen (Bl. 13 d. A.) Bezug genommen.
Ende März 2009 wurde die Klägerin auf das Fristende hingewiesen. Gleichzeitig wurde ihr von der D mitgeteilt, sie könne weiter an ihrem Arbeitsplatz arbeiten, wenn sie ein Arbeitsverhältnis mit der Firma R eingehe, die sie dann an die D verleihen würde. Die Vergütung werde sich nicht ändern. Herr T W von der Personalabteilung der D übersandte sodann das Angebot der Firma R an die Klägerin. Er leitete eine Informationsveranstaltung mit allen betroffenen Arbeitnehmern. Im Rahmen dieser Veranstaltung erschien auch ein Mitarbeiter der Firma R., um die Details der vorbereiteten Verträge mitzuteilen.
Die Klägerin schloss daraufhin unter dem 30.03.2009 einen „Arbeitsvertrag für überbetriebliche Mitarbeiter” mit der Firma R.. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 14 ff. d. A. Bezug genommen. Dieser Vertrag begann laut § 2 am 01.04.2009 und war gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Vorliegen eines Sachgrundes zum 30.06.2010 befristet.
Darüber hinaus schloss die Klägerin unter dem 26.03.2009 eine „einsatzbezogene Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag” mit derselben Firma ab (wegen der Einzelheiten wird auf 18 ff. d. A. Bezug genommen). Während der erstgenannte Arbeitsvertrag den üblichen Arbeitsvertrag darstellt, der bei der Firma R für Leiharbeitnehmer verwendet wird, wird in der „Zusatzvereinbarung” unter anderem geregelt, dass die Klägerin ausschließlich als kaufmännische Sachbearbeiterin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten am Standort in K eingesetzt wird, dass der Klägerin über den Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit hinaus eine Zulage gezahlt wird, sodass insgesamt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.792,50 EUR gezahlt wird und dass ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen ab dem ersten Beschäftigungsjahr gilt. Im Ergebnis wurden damit die Arbeitsbedingungen an das bisher von der Klägerin bezogene Entgelt angepasst, wobei das Weihnachts- und Urlaubsgeld auf die einzelnen Monate des Jahres aufgeteilt wurde und der Klägerin ein Urlaubsanspruch wie zuvor bei der D zustand.
Zwischen der Beklagten und der Firma R bestand eine zentrale Rahmenvereinbarung vom 05.04.2004 (Bl. 21 ff. d. A.). Diese wurde unter dem 20.03.2009 durch eine Vereinbarung zwischen der D. und R. ergänzt (Einzelheiten Bl. 29/30 d. A.). Diese Ergänzung gilt nur für die Arbeiter, deren befristete Verträge bei der D. auslaufen und die von R ab dem 01.04.2009 übernommen und an die D. zunächst bis maximal 2 Jahre überlassen werden (Ziffer 1 der Vereinbarung). In Ziffer 3 der Vereinbarung ist geregelt, dass die Mitarbeiter, die vom Anwendungsbereich der Zusatzvereinbarung erfasst werden, so auch die Klägerin, abweichend vom BTV BZA-DGB vergütet werden, dass dies...