Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Zeitungszustellers auf Nachtarbeitszuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer, der arbeitstäglich zwischen 03:00 Uhr und 06:00 Uhr Tageszeitungen zustellt, hat Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag (hier: 25 %) auf den gesetzlichen Mindestlohn.

 

Normenkette

BGB § 611a Abs. 2; ArbZG § 6 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 31.01.2017; Aktenzeichen 6 Ca 1728/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.01.2017 - 6 Ca 1728/16 - teilweise abgeändert und der Feststellungsantrag zu Ziffer 2 wird abgewiesen.
  2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten der zweiten Instanz haben der Kläger zu 78 % und die Beklagte zu 22 % zu tragen.
  4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten als teilzeitbeschäftigter Zeitungszusteller beschäftigt. Mit Datum vom 28.02.2007 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger für seine Tätigkeit eine Stücklohnvergütung erhält zuzüglich Erschwerniszuschlag und Nachtzuschlägen. Die Arbeitszeit des Klägers liegt im Zeitraum zwischen 3:00 Uhr morgens und 6:00 Uhr morgens. Mit der Einführung des Mindestlohnes für Zeitungszusteller wurde die tägliche Arbeitszeit des Klägers für seine Zustellbezirke und auf insgesamt 2,75 (dezimal) Stunden festgelegt. Für die Berechnung des Mindestlohns werden seitdem die monatlichen Stücklöhne/Grundlöhne sowie eine Besitzstandspauschale zugrunde gelegt. Weiterhin erfolgt eine Aufstockung mit einer Zulage, um den Mindestlohn zu erreichen. Im Jahre 2016 betrug der Mindestlohn für Zeitungszusteller 7,23 € die Stunde.

Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger Nachzahlungen auf die gewährten Nachtzuschläge für den Zeitraum Januar 2016 bis einschließlich Juli 2016 sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen Nachtzuschlag auf den gesetzlichen Mindeststundenlohn in Höhe von mindestens 25 Prozent zu zahlen. Im Zeitraum Januar 2016 bis einschließlich Juli 2016 leistete der Kläger 472,65 Arbeitsstunden (vgl. die Auflistung der einzelnen Stunden in der Klageschrift). Die in diesem Zeitraum gezahlten Nachtzuschläge auf den Stücklohn betragen 470,06 €.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein Nachtzuschlag von 25 % auf den Mindestlohn sei angemessen. Er übe regelmäßige Nachtarbeit an mindestens 270 Tagen im Jahr aus. Sein soziales Leben sei durch die tägliche Nachtarbeit und auch die Arbeit an manchen Feiertagen im Jahr sehr eingeschränkt. Er stehe jeden Morgen um 02:30 Uhr auf und müsse daher am Vortag, damit er mindestens 6 Stunden Schlaf bekomme, um 20:00 Uhr zu Bett gehen. Dadurch sei sein Familienleben sehr eingeschränkt. Zudem verrichte er seine Arbeitszeit im Bergbereich bei Dunkelheit. Durch seine Tätigkeit sei er dabei den unterschiedlichsten Witterungsverhältnissen ausgesetzt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Januar 2016 bis Juli 2016 als Nachtzuschlag einen Betrag in Höhe von 387,39 € netto zu zahlen;
  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm einen Nachtzuschlag von mindestens 25% auf den gesetzlichen Mindestlohn für Zeitungszusteller gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein über den vertraglichen Anspruch hinausgehender gesetzlicher Anspruch auf Zahlung eines Nachtzuschlages bestehe nicht, da ein solcher Anspruch mit dem von der Beklagten bereits gezahlten Nachtzuschlag vollständig abgegolten sei. Der von ihr gezahlte Nachtzuschlag sei angemessen im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG. Hinsichtlich der Bestimmung der Höhe eines angemessenen Nachtzuschlages verbiete sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Festsetzung eines einheitlichen, in allen Fällen angemessenen Zuschlages. Dem Arbeitgeber stehe insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Der gesetzlichen Wertung des § 2 Abs. 4 und 5 ArbZG, wonach Nachtarbeit bis zu zwei Stunden und gelegentliche Nachtarbeit an weniger als 48 Tagen pro Jahr nicht nachtzuschlagspflichtig sei, liege zugrunde, dass die vom Gesetzgeber unerwünschten Beeinträchtigungen durch Nachtarbeit umso intensiver seien, je länger und häufiger während der Nachtzeit gearbeitet werden müsse. Dies bedeute, dass die angemessene Höhe des Nachtzuschlages regelmäßig geringer ausfalle, wenn nicht während der gesamten, sondern nur während eines Teils der Nacht gearbeitet werde oder die Häufigkeit der Nachtarbeit im Laufe eines Jahres nur geringfügig über der Grenze von 48 Tagen liege. Für den Kläger müsse der Nachtzuschlag demnach gering ausfallen, da er nicht während der gesamten Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr, sondern nur zu einem Teil, von 03:00 Uhr bis 06:00 Uhr, arbeite. Auch die Lage der Arbeitszeit während der Nachtzeit müsse bei der Beurteilung der Angemessenheit berücksi...

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