Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Zeitungszusteller auf Nachtzuschlag
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer, der arbeitstäglich zwischen 02:00 Uhr und 06:00 Uhr Tageszeitungen zustellt, hat Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag (hier: 25 %) auf den gesetzlichen Mindestlohn.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2; ArbZG § 6 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 28.03.2017; Aktenzeichen 7 Ca 1750/16) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 28.03.2017 - 7 Ca 1750/16 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Ausgleich für Nachtarbeit.
Der 1939 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.03.1994 als teilzeitbeschäftigter Zeitungszusteller tätig. Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Zahlung eines Stücklohns pro zuzustellendem Zeitungsabonnement zuzüglich eines Nachtzuschlags vereinbart.
Die Arbeitszeit des Klägers liegt zwischen 2:00 Uhr und 6:00 Uhr morgens. Mit der Einführung des Mindestlohns für Zeitungszusteller, der im Jahr 2016 7,23 € pro Stunde betrug, wurde die tägliche Arbeitszeit des Klägers für die beiden Zustellbezirke 96155 und 91161 auf insgesamt 3,16 (dezimal) Stunden festgelegt. Seit diesem Zeitpunkt zahlt die Beklagte dem Kläger die monatlichen Stücklöhne/Grundlöhne zuzüglich einem Nachtzuschlag auf die Stücklöhne sowie eine ergänzende Besitzstandszulage und stockt diese Beträge auf, um den gesetzlichen Mindestlohn zu erreichen.
Mit seiner Klage macht der Kläger einen Nachtzuschlag in Höhe von 25% auf den Mindestlohn geltend. Er hat vorgetragen, er übe regelmäßig Nachtarbeit aus und hat gemeint, für die Beurteilung der Angemessenheit des geforderten Ausgleichs sei dessen wertmäßiges Verhältnis zu dem Bruttoarbeitsentgelt ausschlaggebend, das ihm für die während der gesetzlichen Nachtarbeit geleisteten Arbeitsstunden zustehe. Dem komme die Beklagte mit der Zahlung der vertraglich vereinbarten Nachtzuschläge auf den Stücklohn nicht nach.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 245,55 € netto als Nachtarbeitszuschlag zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 01.12.2016 einen Nachtarbeitszuschlag für Nachtarbeit von 23.00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 25% vom Mindestlohn für Zeitungszusteller zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein über den vertraglichen Anspruch hinausgehender gesetzlicher Anspruch auf Zahlung eines Nachtzuschlags bestehe nicht, da ein solcher Anspruch mit dem von der Beklagten bereits gezahlten Nachtzuschlag jedenfalls vollständig abgegolten sei. Der von ihr gezahlte Nachtzuschlag sei auch angemessen im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG. Insbesondere verbiete sich eine einheitliche Festsetzung des angemessenen Zuschlags, da dem Arbeitgeber insoweit ein Beurteilungsspielraum zustehe.
Die Beklagte hat weiter ausgeführt, der gesetzlichen Wertung des § 2 Abs 4 und 5 ArbZG, wonach Nachtarbeit bis zu zwei Stunden und gelegentliche Nachtarbeit an weniger als 48 Tagen im Jahr nicht nachtzuschlagspflichtig sei, liege zugrunde, dass die unerwünschten Beeinträchtigungen durch Nachtarbeit umso intensiver seien, je länger und häufiger während der Nachtzeit gearbeitet werden müsse. Dementsprechend sei der dem Kläger zustehende Zuschlag geringer, da er nicht während der gesamten Nachtzeit arbeiten müsse. Außerdem müsse die Lage der Arbeitszeit während der Nachtzeit ebenso berücksichtigt werden wie Frage, ob die Nachtarbeit zwingend oder auf den Tag verschiebbar sei. Denn § 6 Abs. 5 ArbZG verfolge auch den Zweck, unnötige Nachtarbeit für den Arbeitgeber unattraktiv und teuer zu machen. Letzteres treffe auf die Beklagte nicht zu, da Zeitungen zwingend in der Nachtzeit zugestellt werden müssten. Insofern hat die Beklagte gemeint, dass bei einem Zusammentreffen beider Kriterien "Umfang und Belastung durch die Nachtarbeit" sowie "Notwendigkeit der Nachtarbeit" jedenfalls die Angemessenheitsprüfung im Einzelfall zu einem geringeren Nachtzuschlag führen müsse.
Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, einem Anspruch des Klägers auf Zahlung des Nachtzuschlags auf den Mindestlohn stünde jedenfalls die arbeitsvertragliche Vereinbarung beider Parteien entgegen, wie sie unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens zu ermitteln sei. Hätte die Beklagte bei Vertragsschluss gewusst, dass ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden würde, sei nicht davon auszugehen, dass sie mit dessen Einführung auch einen erhöhten Nachtzuschlag hätte zahlen wollen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 28.03.2017 insgesamt stattgegeben. Es hat die Beklagte zur Zahlung von 245,55 € an den Kläger verurteilt und darüber hinaus antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.12.2016 einen Nachtarbeitszuschlag für Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe...