Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. fristlos. Beleidigung. Vorgesetzter. Zeuge. Aussageverweigerung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beleidigung und die Bedrohung des Personalleiters durch einen Arbeitnehmer mit Erklärungen wie „Was seid Ihr für Schweine!”, „Ich mache Euch jetzt alle kaputt!”, „Keiner hält mich auf!”, „Einer von uns verlässt den Hof heute tot!” mit gleichzeitigen Faustschlägen neben den Kopf des Personalleiters rechtfertigt eine fristlose Kündigung.
2. Ein Zeuge, der ernsthaft befürchtet, von einer Prozesspartei tätlich angegangen zu werden, wenn er den Vorfall schildert, kann wegen seines grundgesetzlich gewährleisteten Rechts auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG zur Zeugnisverweigerung berechtigt sein.
Normenkette
BGB § 626; ZPO § 384
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 12.02.2009; Aktenzeichen 15 Ca 4548/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Februar 2009 – 15 Ca 4548/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung der Beklagten vom 13. Mai 2008 und/oder 2. Juni 2008 beendet worden ist.
Der Kläger, geboren am 7. April 1945, mit einem Grad von 60 schwerbehindert, ist bzw. war bei der Beklagten seit dem 10. September 1990 beschäftigt als Stapelfahrer bzw. als Lagerarbeiter.
Am 8. Mai 2008 kam es zu einem Vorfall zwischen dem Kläger und dem Zeugen L, Personalleiter der Beklagten, bei dem – so die Beklagte – der Kläger den Zeugen L beleidigt und mit einer Tätlichkeit bedroht haben soll. Der Kläger bestreitet dies.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2008 bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass sie wegen des Vorfalls Strafanzeige gegen ihn gestellt habe und ihn ab dem 9. Mai 2008 bis auf Weiteres von der Arbeit freigestellt habe.
Nachdem das Integrationsamt durch Bescheid vom 29. Mai 2008 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des von der Beklagten mitgeteilten Vorfalls vom 9. Mai 2008 erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 2. Juni 2008. Dagegen richtet sich der Kläger mit einem am 23. Juni 2008 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz.
Der Kläger hat erstinstanzlich Klage gegen das Schreiben vom 13. Mai 2008 und die Kündigung vom 2. Juni 2008 erhoben sowie Weiterbeschäftigung als Stapelfahrer und Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt.
Das Arbeitsgericht Köln hat in der Sitzung vom 12. Februar 2009 den Zeugen L und den Zeugen S, der als Fahrer bei der Beklagten beschäftigt ist, vernommen. Diese Zeugen haben die von der Beklagten behaupteten Beleidigungen und Drohungen mit Tätlichkeiten bestätigt und ausgeführt, bei dem Vorfall sei auch der bei der Beklagten beschäftigte Fahrer Herr S anwesend gewesen.
Nach der Durchführung der Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 12. Februar 2009 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die außerordentliche Kündigung vom 2. Juni 2008 sei wirksam, da nach der Durchführung der Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger den Zeugen L mit einer Tätlichkeit bedroht und als „Schwein” beschimpft habe. Damit habe er zielgerichtet Angst und Schrecken im Betrieb verbreitet, so dass auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit, des Alters und der Schwerbehinderung die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Der Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe folglich nicht. Der Kläger könne nur ein Endzeugnis und nicht ein Zwischenzeugnis verlangen, da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden sei.
Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach dessen Angaben am 12. Juni 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 13. Juli 2009 (Montag) Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14. September 2009 – am 14. September 2009 begründen lassen.
Er bestreitet weiterhin den Zeugen L beleidigt und bedroht zu haben und hat beantragt, den Zeugen S darüber zu vernehmen. Nach der Vernehmung des Zeugen S in der Sitzung des Berufungsgerichts am 25. November 2009 hat er nochmals persönlich Folgendes erklärt: Er habe zunächst an dem Tag den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn B, auf die Vergütung der von ihm geleisteten Überstunden angesprochen. Herr B habe ihn abgewiesen und erklärt, er solle verschwinden. Danach habe er Herrn L aus einer Entfernung von 2 Metern zehnmal gebeten, ihm die Überstunden zu bezahlen. Dieser habe überhaupt nichts gesagt. Danach seien alle Anwesenden weggegangen. Der Zeuge S sei nicht anwesend gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Februar 2009 – 15 Ca 4548/08 –
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch das Schreiben vom 13. Mai 2008 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 2. Juni 2008 sein Ende gefunden hat, sondern fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den...