Entscheidungsstichwort (Thema)
Beleidigung
Leitsatz (amtlich)
Hat der Arbeitgeber Beleidigungen ausgesprochen, ist es eine zulässige und nicht zu beanstandende Reaktion des Arbeitnehmers, wenn dieser antwortet: „Pass auf, was Du sagst, Junge!”
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 05.05.2010; Aktenzeichen 18 Ca 5923/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.05.2010 – 18 Ca 5923/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung.
Der Kläger ist am geboren, verheiratet und leistet Unterhalt für einen in seinem Haushalt lebenden Enkel. Er war seit dem 03.05.1995 bei der Beklagten, einem Dackdeckerbetrieb, als Dackdeckergeselle zu einem monatlichen durchschnittlichen Bruttoentgelt von zuletzt 2.650,– EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die allgemein verbindlichen Tarifverträge des Dachdeckerhandwerks Anwendung.
Am 03.06.2009 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Junior-Geschäftsführer der Beklagten, Herrn J L deren Einzelheiten streitig sind. Hintergrund war die Tatsache, dass die Beklagte Lohnpfändungen bei der Lohnzahlung an den Kläger von Januar bis April 2009 in Höhe von 541,– EUR einbehalten hatte, ohne diese an die Pfändungsgläubiger abzuführen. Zudem hatte die Beklagte Pfändungskosten in Höhe von 10,– EUR pro Monat seit Juli 2008 sowie 130,– EUR für Februar 2009 einbehalten. Daraufhin rief die Ehefrau des Klägers bei der Steuerberaterin der Beklagten an, um dies aufzuklären. Wegen dieses Telefonats sprach der Junior-Geschäftsführer J L den Kläger am 03.06.2009 an und forderte ihn auf, seine Frau davon abzuhalten, erneut die Steuerberaterin anzurufen.
Das Gespräch vom 03.06.2009 eskalierte, wobei die weiteren Einzelheiten streitig sind.
Mit der Begründung, der Kläger habe den Junior-Geschäftsführer der Beklagten tätlich angegriffen und bedroht, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 03.06.2009 außerordentliche, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Bl. 10 d. A.).
Mit der fristgerecht eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass die Kündigung unrechtmäßig gewesen sei. Er hat bestritten, den Junior-Geschäftsführer der Beklagten tätlich angegriffen oder bedroht zu haben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Herr J L seine Ehefrau im Rahmen des Streits am 03.06.2009 beleidigt habe, indem er gesagt habe, die Ehefrau habe sich gegenüber der Steuerberaterin asozial verhalten. Mit der Klage hat der Kläger zudem weitere Zahlungs- und Abrechnungsansprüche sowie Urlaubsgeld und einen Zeugnisanspruch geltend gemacht.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat behauptet, der Kläger habe den Junior-Geschäftsführer im Rahmen der Auseinandersetzung vom 03.06.2009 tätlich angegriffen. Dies sei geschehen, nachdem der Junior-Geschäftsführer den Kläger darauf hingewiesen habe, dass dessen Ehefrau sich gegenüber der Steuerberaterin in nicht hinnehmbarer Weise verhalten habe. Insoweit habe er nur die Steuerberaterin zitiert, die sinngemäß gesagt habe, die Ehefrau habe sich asozial verhalten. Der Kläger habe zunächst versucht, den Junior-Geschäftsführer mit einem Faustschlag ins Gesicht zu treffen, was dadurch verhindert worden sei, dass der Junior-Geschäftsführer diesen mit seinem Arm habe abwehren können und sodann die Hand des Klägers festgehalten habe. Als sich der Kläger und der Junior-Geschäftsführer im Zuge dessen sehr nahe gegenüber gestanden hätten, habe der Kläger daraufhin versucht, dem Junior-Geschäftsführer eine Kopfnuss zu geben. Im Anschluss daran habe er dem Junior-Geschäftsführer sinngemäß mit den Worten gedroht, er solle bloß aufpassen und vorsichtig sein in der Zukunft.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über den Vorfall am 03.06.2009 durch Vernehmung des Zeugen D. W. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichts Köln vom 05.05.2010 (Bl. 138 ff. d. A.). Bezug genommen.
Durch Urteil vom 05.05.2010 hat das Arbeitsgerecht alsdann festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.06.2009 beendet worden sei. Ein Grund für eine fristlose Kündigung sei nicht gegeben. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass ein tätlicher Angriff des Klägers auf den Junior-Geschäftsführer der Beklagten stattgefunden habe. Der hierzu befragte Zeuge W habe nicht bestätigen können, dass der Kläger versucht habe, den Junior-Geschäftsführer zu schlagen oder ihm eine Kopfnuss zu geben. Auch eine Drohung, die zu einer Kündigung berechtigen könne, liege nicht vor. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung unstreitig mit mehr als 500,– EUR netto im Verzug gewesen sei, ohne dass diese Tatsache dem Kläger mitgeteilt worden sei. Zudem habe der Junior-Geschäftsführer der Beklagten kurz zuvor dem Kläger jedenfalls mitgeteilt, dass...