Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. fristlose. Beleidigung. ordentliche Kündigung. verhaltensbedingt
Leitsatz (amtlich)
1. Die objektiv nicht besonders schwerwiegende Beleidigung eines Kollegen, der in einer kleineren Gruppe von Sozialarbeitern auch Leitungsfunktion hat, kann selbst dann, wenn sie für den Arbeitgeber erstmalig persönliche, den Arbeitsablauf störende Spannungen auffällig macht, regelmäßig erst nach vergeblicher Abmahnung oder einem vergeblichen Vermittlungsversuch als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet sein.
2. Auch eine schwere verbale Entgleisung („Du altes Arschloch”) ist nicht ohne weiteres eine grobe Beleidigung und ein ohne Abmahnung ausreichender Kündigungsgrund; entscheidend ist die Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit einer Maßnahme im konkreten Fall.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 16.11.1995; Aktenzeichen 4 Ca 5824/95) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.11.95 – 4 Ca 5824/95 – wird kostenpflichtig zurück gewiesen.
2. Streitwert: DM 17.926,–
Tatbestand
Der inzwischen 40 Jahre alte Kläger steht bei dem beklagten Verein, der in seinem Betrieb regelmäßig beträchtlich mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt, in einem Arbeitsverhältnis mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt DM 3.505,25. Er ist in einem Wohnheim für Asylbewerber als Sozialberater eingesetzt. Leiter der Einrichtung ist der Zeuge, sein Abwesenheitsvertreter ist der Kläger. Außerdem sind dort zwei weitere Mitarbeiter für die Betreuung der Asylbewerber eingesetzt, nämlich die Zeugen und.
Am 29.6.1995 erhielt der Kläger seitens der Zentralen Geschäftsführung des Beklagten aus Frankfurt mit Datum vom 28.6.1995 eine Kündigung mit folgenden Worten:
Sehr geehrter Herr Zebib,
hiermit kündigen wir Ihnen aus verhaltensbedingten Gründen außerordentlich hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, das ist der 30.9.1995.
Begründung:
Am 13.6.1995 haben Sie um 14.45 Uhr auf dem Treppenabsatz zum Eingang der Einrichtung außerhalb des Hauses dem Einrichtungsleiter, Herrn, in rüdem Ton erklärt, daß nicht sie, sondern Ihr Kollege entgegen dem Dienstplan am kommenden Samstag Dienst machen würde. Als Herr Ihnen erklärte, daß der Dienst bleibe, wie eingeteilt, nahmen Sie eine drohende Haltung ein, indem Sie Ihren Oberkörper nach vorne beugten und Anstalten machten, die Fäuste zu ballen. Sie schrien Herrn laut an: „Der Junge macht Dienst, ich tausche auch in Zukunft, so wie ich es will.” Herr erklärte Ihnen nochmals, daß der Dienstplan bestehen bleibe wie er geschrieben ist. Daraufhin steigerten Sie ihre Lautstärke nochmals und brüllten: „Wer glaubst Du eigentlich wer Du bist, du Arschloch”. Diese Verhaltensweise Ihrem Vorgesetzten gegenüber stellt einen so schweren Verstoß gegenüber Ihrer Dienstpflicht dar, daß eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen ab sofort unmöglich geworden ist.
Die Rechte des Betriebsrats wurden gewahrt. Er hat dieser Kündigung widersprochen, seine Stellungnahme ist beigefügt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Kündigung fehle sowohl der wichtige Grund für eine fristlose Kündigung, als auch die soziale Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz. Er hat dazu die vorliegende Feststellungsklage am 7.7.1995 bei dem Arbeitsgericht eingereicht.
Er hat das ihm zur Last gelegte Verhalten gegenüber dem Zeugen und insbesondere eine Bedrohung oder Beleidigung des Zeugen bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Par teien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29.6.1995 weder fristlos noch zum 30.9.1995 aufgelöst ist und weiterhin zu unver änderten Arbeitsbedingungen fortbesteht;
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unver änderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
den Kläger mit der Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei als fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde, jedenfalls als ordentliche Kündigung wegen sozialer Rechtfertigung aus verhaltensbedingten Gründen rechtswirksam. Da es dem Zeugen
als dem Leiter der Einrichtung obliege, den Dienstplan zu erstellen, bedürfe es keiner Frage, daß die Aufstellung des Dienstplanes und dessen Durchführung keiner Zustimmung der Mitarbeiter bedürfe. Die Änderung des Dienstplanes könne aus betrieblichen Gründen nur mit Zustimmung des Einrichtungsleiters erfolgen; hieran habe sich der Kläger wiederholt nicht gehalten. Auf den Hinweis des Zeugen, der Kläger könne den Dienst nicht ohne vorherige Genehmigung tauschen, habe der Kläger schon gleich in sehr gereiztem Ton geäußert, der Zeuge solle ruhige seine Dienstpläne schreiben, den Dienst werde er jedoch so einrichten, wie er es für richtig halte. Um klare Verhältnisse für die Zukunft zu schaffen, habe der Zeuge am 25.4.1995 eine Dienstanweisung geschrieben, in der festgelegt sei, daß nur nach Rücksprache und Genehmigung durch die Einrichtungsleitung ein Dienst getauscht würde. Mit dem Kläger habe es ber...