Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 24.04.1998; Aktenzeichen 2 Ca 11168/97)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.04.1998 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 2 Ca 11168/97 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das obige Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

3. Die weitergehende Klage wird als unzulässig verworfen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 34 %, m übrigen die Beklagte.

5. Streitwert: 47.780,50 DM.

 

Tatbestand

(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 04.12.1997. Die beklagte GmbH & Co. KG, die eine Bäckereikette betreibt, hat sie ausgesprochen, weil sie der seit September 1994 bei ihr als Bäckereiverkäuferin beschäftigten, 1946 geborenen Klägerin vorwirft, in ihrer Filiale anläßlich ihrer Verkaufstätigkeit vereinnahmte Kundengelder unterschlagen zu haben – und zwar an mehreren Tagen im November 1997. Dies habe eine dort von Detektiven versteckt angebrachte Videokamera ans Licht gebracht. Die für die Detektive aufgewendeten Unkosten fordert die Beklagte im Wege der Widerklage.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Weiterbeschäftigungsklage als unzulässig sowie die Widerklage als unbegründet abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Widerklage sowie ihren Klageabweisungsantrag weiter, indem sie dem Arbeitsgericht vorwirft, es habe zu Unrecht für die erstellten Videoaufnahmen ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Sie beantragt,

unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung

  1. die Klage abzuweisen;
  2. die Klägerin auf die Widerklage hin zu verurteilen, an sie 19.474,– DM zu zahlen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung und bestreitet die ihr zu Last gelegten Eigentumsdelikte ebenso wie die Kassendifferenzen, die die Beklagte zum Anlaß für ihre Überwachungsaktion genommen haben will. Nunmehr beruft sich auch die Klägerin auf ihre Persönlichkeitsrechte, in die die von der Beklagten durchgeführte Videoüberwachung in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen habe, beantragt aber nach wie vor gegenbeweislich die Augenscheinseinnahme der entstandenen Aufnahmen.

Außerdem legt die Klägerin unselbständige Anschlußberufung ein, mit der sie sich gegen die Abweisung ihrer Weiterbeschäftigungsklage wendet und zugleich eine Klageerweiterung vornimmt – nämlich auf Zahlung des Verzugslohns für die Zeit von Dezember 1997 bis Juli 1998. Sie beantragt mit der Anschlußberufung,

  1. unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen – hilfsweise zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Bäckereiverkäuferin – weiterzubeschäftigen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.178,40 DM brutto abzüglich 3.871,90 DM erhaltenes Arbeitslosengeld nebst 4% Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 01.05.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Anschlußberufung und hält die Klageerweiterung für unzulässig.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Augenscheinseinnahme der vom Zeugen P. kommentierten Videoaufnahmen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten war nicht erfolgreich. Im Ergebnis hat das Arbeitsgericht der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Beklagte hat den von ihr erhobenen Vorwurf nicht beweisen können.

Der vom Gericht eingenommene Augenschein hat den Beweis nicht erbracht. Auf den vorgeführten Videoaufnahmen war für das Gericht nicht erkennbar, daß die Klägerin ein Delikt begeht. Daß sie als Verkäuferin mit der Kasse hantiert, ist selbstverständlich; daß sie ihr Geld entnimmt, das nicht als Wechselgeld für Kunden bestimmt ist, ist nicht sichtbar. Zwar ist auch erkennbar, daß die Klägerin einige Male die Hand in ihre Kitteltasche steckt und dies mitunter auch in zeitlicher Nähe zu einem Kassenvorgang. Für eine solche Geste kann es aber tausend harmlose Gründe geben – teils sachlicher Art etwa um sich zu vergewissern, daß ein dort aufbewahrter Gegenstand wie ein Kugelschreiber oder Schlüsselbund noch an seiner Stelle ist – teils ohne sachliche Motivation als bloße Gewohnheitsgeste: Jeder Mensch, der einen Kittel mit Taschen trägt, steckt hin und wieder gedankenlos und ohne konkrete Absicht seine Hand hinein – zur Einnahme einer Pose, als Teil seiner Körpersprache oder ganz einfach weil er nicht weiß, wo er seine Hände lassen soll. Es geht nicht an, mit dem Hinweis, die Hand hätte dort in der eigenen Tasche nichts zu suchen, aus einem alltäglichen Geschehensablauf einen Deliktsbeweis zu konstruieren. Soweit die Klägerin des vorliegenden Verfahrens betroffen ist, schließt sic...

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