Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung einer Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung i.R.e. Bewerbungsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Zur Indizwirkung gemäß § 22 AGG eines arbeitgeberseitigen Verstosses gegen die Konsultationspflicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX und gegen die Pflicht nach § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX zur Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats über die Bewerbung einer schwerbehinderten Person.
Normenkette
SGB IX §§ 164, 164 Abs. 1 S. 2, 4
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 16.03.2023; Aktenzeichen 1 Ca 1496/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 16.03.2023 - 1 Ca 1496/22 - werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 16.03.2023 - 1 Ca 1496/22 - Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage überwiegend für begründet gehalten. und dem Kläger einen Anspruch im Umfang einer Entschädigung in Höhe von 10.510,66 € (zwei tariflichen Monatsgehältern) zugesprochen. Der Beklagte habe in mehrfacher Weise gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthielten, verstoßen. Außerdem habe er gegen die von ihm selbst aufgestellte Obliegenheit, schwerbehinderte Bewerber zu bevorzugen, verstoßen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 3 ff. d. A.) Bezug genommen. Dem Beklagten ist das Urteil des ersten Rechtszuges am 21.04.2023 zugestellt worden. Der Beklagte hat am 19.05.2023 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 21.07.2023 - am 20.07.2023 bei dem Landesarbeitsgericht begründet. Die Anschlussberufung des Klägers ist am 25.09.2023 und damit innerhalb der bis zu diesem Zeitpunkt verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen und begründet worden.
Die Beklagte wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagte einen externen Dienstleister mit dem Namen "c" mit der Durchführung des Bewerbermanagements beauftragt habe. Der Beklagte habe vielmehr das Bewerbermanagement in Eigenregie durchgeführt und sich hierfür einer Softwarelösung mit dem Namen "Concludis" bedient. Statt der vom Arbeitsgericht unterstellten Sammlung und Bündelung der Bewerbungsunterlagen vor der Weitergabe an die Schwerbehindertenvertretung habe der Beklagte die Schwerbehindertenvertretung als "Beobachter" eines Bewerbungsverfahrens freigeschaltet, sobald die erste Bewerbung einer schwerbehinderten Person eingegangen sei. Mit diesem Status sei automatisch ein voller Lesezugriff auf alle verfügbaren Unterlagen gewährt worden, die zu einer Bewerbung jeweils hochgeladen worden sein. Mit der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, Herrn Dr. S, bestehe die Übereinkunft, dass er selbst ständig ca. alle zwei Tage in Concludis nachsehe, ob neue Bewerbungen schwerbehinderter Menschen eingetroffen sein. Im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers habe sich Herr S auf einer mehrwöchigen Schulung befunden; daher habe er seine Stellvertreterin, Frau Sch, entsprechend instruiert, die dann die vorgenannte Aufgabe übernommen und ausgeführt habe. Die auf den 16.01.2022 datierte Bewerbung des Klägers sei am Montag, dem 17.01.2022, via Concludis bei dem Beklagten eingegangen. Wann genau die Schwerbehindertenvertretung die ihr zugängliche Bewerbung wahrgenommen habe, sei für den Beklagten nicht mehr exakt zu rekonstruieren. Jedenfalls habe die Schwerbehindertenvertretung sich mit der Bewerbung unverzüglich befasst, da bereits am 21.01.2022 eine erste, vorläufige Version der Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung entworfen gewesen sei. Der Kläger sei nicht dadurch wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden, dass der Beklagte wegen der ausgeschriebenen Stelle nicht frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufgenommen habe. Der ständigen Übung bei dem Beklagten folgend sei bei der unter a handelnden eingetragenen Kauffrau A Si in B ein Angebot zur Erstellung und Schaltung der Stellenanzeige eingeholt worden. Unter dem 21.12.2021 habe das Team a in B dem Beklagten ein entsprechendes Angebot textförmlich übermittelt. Der Beklagte habe dieses Angebot mit Bestellung vom 04.01.2022 angenommen. In der Folgezeit habe sich der Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit per E-Mail mit der Sachbearbeiterin bei den Beklagten ausgetauscht. Der Beklag...