Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfallklausel. Unklarheitenregel. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Schuldrechtsreform. geltungserhaltende Reduktion. Abrechnungsklausel in Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1.) Zur Anwendung der sog. Unklarheitenregel auf eine in einem Formulararbeitsvertrag aus der Zeit vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform enthaltene Verfallklausel.
2.) Gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB sind die aufgrund der Schuldrechtsreform vom 26.11.2001 geltenden Regelungen des BGB im Rahmen des Dauerschuldrechtsverhältnisses „Arbeitsvertrag” auf alle diejenigen Ansprüche anzuwenden, die am 01.01.2003 noch nicht verfallen waren.
3.) Würde die Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechenden arbeitsvertraglichen Verfallklausel die Rechtsstellung des Arbeitnehmers im konkreten Fall verbessern, so ist die Unklarheitenregel des § 305 c BGB „umgekehrt” anzuwenden, d. h. es ist zu prüfen, ob die Arbeitsvertragsklausel bei der scheinbar arbeitnehmerfeindlichsten Auslegung wegen Verstoßes gegen ein Klauselverbot unwirksam wäre.
4.) Zur Auslegung einer Abrechnungsklausel in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich.
Normenkette
BGB §§ 242, 305c, 307, 311; EGBGB Art. 229; EGBGB § 5; SGB III § 143a; SGB X § 115
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 31.08.2004; Aktenzeichen 16 Ca 5646/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2004 in Sachen 16 Ca 5646/04 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den bereits zugesprochenen Betrag von 652,59 EUR hinaus weitere 3.720,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2004 und darüber hinaus Zinsen aus dem Betrag von 652,59 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 19.01.2004 bis 22.10.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin aus übergegangenem Recht.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, in ihrem Urteil vom 31.08.2004 die Klage überwiegend abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Köln mit Urteil vom 14.10.2004 in Sachen 4 Ca 5808/04 den Annahmeverzugsansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers A für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.06.2003 unter Abzug der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Teilansprüche in vollem Umfang stattgegeben hat, und dass dieses Urteil rechtskräftig ist, nachdem die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hatte.
Das im vorliegenden Verfahren am 31.08.2004 verkündete Urteil wurde der Klägerin am 06.04.2005 zugestellt. Die Klägerin hat am 25.02.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.04.05 am 29.04.05 begründet.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die auf sie gemäß § 115 SGB X i. V. m. § 143 a SGB III übergeleiteten Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers A für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.2002 zu Unrecht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien diese Teilansprüche nicht aufgrund der in § 15 des Anstellungsvertrages der Parteien enthaltenen Verfallklausel verfallen. Die erste Stufe der Verfallklausel sei durch die Kündigungsschutzklage erfüllt worden. Die zweite Stufe der Verfallklausel setzte nach deren Wortlaut voraus, dass die Beklagte auf die in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegende Geltendmachung der Ansprüche geschwiegen hätte. Dies habe die Beklagte jedoch nicht getan, sondern im Kündigungsschutzprozess Klageabweisung beantragt und sich gegen die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung aktiv verteidigt.
Jedenfalls habe die Verfallfrist selbst in der ersten Stufe noch nicht zu laufen begonnen, da erst eine vom Arbeitgeber erteilte Abrechnung erforderlich gewesen wäre, um überhaupt den Lauf der Verfallfrist auszulösen.
Darüberhinaus, so die Klägerin, sei die Verfallklausel des § 15 Anstellungsvertrag aus Rechtsgründen unwirksam. Es treffe nicht zu, dass sich aus den Überleitungsvorschriften in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB etwas anderes ergebe. Maßgeblich für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB in der heute geltenden Fassung auf die hier streitige arbeitsvertragliche Verfallklausel sei, ob die betreffenden Ansprüche am 01.01.2003 bereits verfallen gewesen wären.
Jedenfalls, so die Klägerin weiter, habe die Beklagte in dem im Verfahren Arbeitsgericht Köln 3 Ca 11857/03 am 19.01.2004 abgeschlossenen Widerrufsvergleich darauf verzichtet, sich auf Verfallklauseln zu berufen. Dies werde auch durch den Inhalt von Telefonaten belegt, die die Prozessbevollmächtigten beider Seiten in dem damaligen Verfahren noch währ...