Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsanhörung, unrichtige und irreführende Darstellung der Kündigungsgründe. Verdachtskündigung, Aufklärungspflicht des Arbeitgebers, Anforderung an die Verdachtsmomente
Leitsatz (amtlich)
1. Eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung der Kündigungsgründe führt zur fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung (BAG, Urteil vom 06.10.2005 – 2 AZR 316/04 – EzA BetrVG 2001 § 102 Rn. 16; BAG, Urteil vom 22.09.1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39, 47 f.; BAG, Urteil vom 13.05.2004 – 2 AZR 349/03 – BAGE 110, 331, 334).
2. Eine Verdachtskündigung ist nur dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen begründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urteil vom 13.03.2008 – 2 AZR 961/06 – EzA-BGB 2002 § 626 Verdacht strafbare Handlung Nr. 6).
Normenkette
BetrVG § 102; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 08.05.2009; Aktenzeichen 1 Ca 7841/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.05.2009 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch vier Kündigungen der Beklagten.
Die Klägerin ist seit dem 05.08.2001 für die Beklagte als Postzustellerin tätig.
Die Klägerin ist verheiratet und verdiente zuletzt Angaben der Klageschrift zufolge rund 2.000,00 EUR brutto monatlich. Ausgelöst sind die Kündigungen der Beklagten durch folgende Umstände:
Unter dem 20.08.2008 erstattete der Zeuge P. B., der wie die Klägerin im Haus M. wohnt bei der Kreispolizeibehörde in K. Strafanzeige.
Den das Haus M. aufsuchenden Polizeibeamten teilte der Zeuge mit, dass er an seiner Wohnanschrift im Keller eine Postkarte und einen Brief mit Adressaten aus H. im Hausabfallbehälter für Papierrecycling aufgefunden habe. In der Anzeige heißt es sodann weiter:
Daraufhin wurde der Abfallbehälter (Blaue Tonne) im Keller der Wohnanschrift nach weiteren Beweismittel durchsucht und weitere Briefe gefunden. Bei den Briefen handelt es sich um 16 Postwurfsendungen für den Postzustellbezirk H.. Eine Postwurfsendung ist auf M. in K. adressiert.
Die Postkarte hat eine Adressatin, die in H. wohnt.
Der Zeuge B. gab zusätzlich an, dass ihm bekannt sei, dass die Klägerin, die mit ihm im Haus M. in K. wohne, Postzustellerin für den Bezirk H. sei.
Der Bruder des Zeugen P. B., Herr H. B. ist wie die Klägerin als Postzusteller bei der Beklagten beschäftigt.
Die gefundenen Postsendungen wurden asserviert.
Von den 16 Postwurfsendungen, die gefunden wurden, waren zwei an eine nicht bekannte Adresse (Hausnummer) adressiert. Die Klägerin war als Postzustellerin des Zustellbezirks in H., an welche 16 der 17 aufgefundenen Postsendungen adressiert waren, in der Zeit 13.-27.08.2008 eingeteilt.
Nach Angaben der Beklagten erhielt diese von der Polizei über die erstattete Anzeige am 12.09.2008 Mitteilung.
Zu den Vorwürfen wurde die Klägerin am 16.09.2008 angehört. Angaben der Beklagten zufolge wurden ihr dabei die Kopien der Aufschriftseiten der aufgefundenen Sendungen vorgelegt. Die Klägerin bestritt, die aufgefundenen Postsendungen im Müll entsorgt zu haben. Die Klägerin gab an, dass ihr wohl jemand etwas unterschieben wolle.
Nach Anhörung der Klägerin informierte die Beklagte den Betriebsrat mit vier zum Tatsächlichen wortgleichen Schreiben über die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Einmal durch außerordentliche Tatkündigung, des Weiteren durch hilfsweise ordentliche Tatkündigung, des Weiteren durch außerordentliche Verdachtskündigung und schließlich hilfsweise durch ordentliche Verdachtskündigung. In den zum Tatsächlichen wortgleichen Anhörungen des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung heißt es u. a.:
„Die in der M. noch wohnenden 4 Parteien wurden von der Mitarbeiterin Security auf eine Beschäftigung bei der D. AG hin überprüft. Keiner der dort wohnenden Namen ist bei der D. AG bekannt.”
Zu den hier beabsichtigten Kündigungen hat sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 24.09.2008 erklärt und jeweils der beabsichtigten Kündigung nicht zugestimmt. Der Betriebsrat hat dabei jeweils darauf hingewiesen, dass von der Klägerin der Vorwurf der Postunterdrückung vehement abgestritten werde. Die Klägerin sei bisher als gute und zuverlässige Mitarbeiterin geschätzt. Der Betriebsrat bitte, die Kündigungsabsicht aufzugeben und gegebenenfalls bewiesenes Fehlverhalten der Klägerin mit einer Abmahnung zu ahnden.
Mit Schreiben vom 25.09.2008 erklärte die Beklagte die außerordentliche Tatkündigung, die außerordentliche Verdachtskündigung und die hilfsweise ordentliche Tatkündigung und die ordentliche Verdachtskündigung.
Hiergegen wendet sich di...