Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Gehaltsabtretung. Tarifliches Abtretungsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gehaltsabtretung, die zu einer Übersicherung des Kreditgebers führt, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung rechtsunwirksam.
2. Eine Gehaltsabtretung erfasst mangels ausdrücklicher Festlegung nicht Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers.
3. Ein tarifliches Abtretungsverbot erfasst alle Ansprüche, die nach Inkrafttreten des Tarifvertrages entstehen und fällig werden.
Normenkette
BGB §§ 398-399
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Aktenzeichen 7 Ca 3204/04) |
Tenor
1. Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Lohn- und Gehaltsabtretung im Hinblick auf einen Arbeitnehmerabfindungsanspruch.
Der Arbeitnehmer L D war bei der Beklagten seit September 1978 beschäftigt. Bei der Rechtsvorgängerin der Kläger nahm der Arbeitnehmer L D einen Kredit zusammen mit seiner Ehefrau auf und unterzeichnete am 11.07.1991 eine Gehaltsabtretung (Bl. 9 d. A.).
Bei der Beklagte trat am 01.05.1994 der Tarifvertrag Nr. 444 in Kraft, der in § 14 Abs. 11 (Bl. 26 d. A.) festlegte:
„Der Anspruch auf die Abfindung kann nicht abgetreten oder verpfändet werden; er ist vererblich.”
Mit Schreiben vom 27.05.1994 wurde die Lohn- und Gehaltsabtretung gegenüber der Beklagten angezeigt und offen gelegt.
Im Juni 2002 schied der Arbeitnehmer D aufgrund eines Aufhebungsvertrages, der die Zahlung einer Abfindung von 6.900,00 EUR netto vorsah, aus den Diensten der Beklagten aus.
Diesen Abfindungsbetrag verlangte die Klägerin von der Beklagten mit der Klage unter Berufung auf die Lohn- und Gehaltsabtretung.
Die Beklagte verweigerte die Zahlung unter Berufung auf das tarifvertraglich geltende Abfindungsverbot.
Das Arbeitsgericht hat das tarifliche Abfindungsverbot für wirksam gehalten und die Klage durch am 19.08.2005 verkündetes Urteil abgewiesen (Bl. 45 bis 51 d. A.). Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und trägt vor, die zeitlich frühere Lohn- und Gehaltsabtretung könne nicht durch einen später in Kraft getretenen Tarifvertrag mit einem Abfindungsverbot konterkariert werden. Eine solche nachträgliche kollektivrechtliche Vereinbarung greife in unzulässiger Weise in das Recht des Arbeitnehmers ein, über seine Entgeltansprüche individualrechtliche Vereinbarung zu treffen. Deshalb sei die zeitlich frühere Abtretung von dem späteren tarifvertraglich in Kraft gesetzten Abtretungsverbot nicht erfasst. Mit dem später vereinbarten Abtretungsverbot habe die Klägerin auch nicht rechnen müssen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 19.08.2005 – 7 Ca 3204/04 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.900,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das tarifvertragliche Abtretungsverbot sei wirksam. Die Beklagte habe auch ein berechtigtes Interesse an einem solchen Abtretungsverbot, um die finanzielle Abwicklung zu erleichtern.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
I. Es bestehen bereits durchgreifende Zweifel, ob die hier streitgegenständliche Lohn- und Gehaltsabtretung überhaupt rechtswirksam ist und aus ihr irgendwelche Rechte abgeleitet werden können. Denn eine formularmäßig erklärte Lohn- und Gehaltsabtretung war nach § 9 AGB-Gesetz (jetzt § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) rechtsunwirksam, wenn sie zu einer übermäßigen Sicherung des Kreditgebers führte. Um den Vorwurf der Übersicherung zu entgehen, musste die Abtretung eine zeitliche und betragsmäßige Begrenzung enthalten und mittels einer Freigabeklausel und einer Bindung der Offenlegung der Abtretung an die geltenden Verbraucherschutzvorschriften dafür sorgen, dass der kreditnehmende Verbraucher nicht unangemessen benachteiligt wird (siehe BGH, Urteil vom 07.07.1992, NJW 1992, S. 2626; Erfurter Kommentar-Preis, 6. Aufl., § 611 BGB Rz. 582). Diesen Ansprüchen genügt die Lohn- und Gehaltsabtretung hier nicht. So hängt die Freigabe bei fortschreitender Tilgung von einem Verlangen der Darlehnsnehmer ab und erfolgt nicht automatisch. Die Abtretung kann bereits offen gelegt werden, wenn die Darlehnsnehmer mit einem Betrag in Höhe von zwei Raten in Verzug sind. Nach der gesetzlichen Verbraucherschutzregelung ist eine Kündigung nach § 498 BGB (vor der Schuldrechtsmodernisierung § 12 Verbraucherkreditgesetz) aber erst möglich, wenn nicht nur Verzug hinsichtlich zwei aufeinander folgender Teilzahlungen eingetreten ist, sondern auch der ausstehende Betrag einen Mindestprozentsatz der Gesamtkreditsumme erreicht und zusätzlich der Darlehnsnehmer eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückst...