Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Prozessvergleich. Anfechtung eines Prozessvergleichs. Arglistige Täuschung durch Unterlassen
Leitsatz (amtlich)
Anfechtung eines Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung durch Unterlassen.
Normenkette
BGB §§ 142, 123 Abs. 1, §§ 123, 779
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 26.05.2011; Aktenzeichen 6 Ca 3796/10) |
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 26.05.2011 - 6 Ca 3796/10 - wird zur Klarstellung in Ziffer 1 des Tenors wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 12.04.2011 beendet worden ist.
3. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleiches. Die Beklagte betreibt ein Restaurant und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der am 1966 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem Jahr 2001 als Koch mit einem durchschnittlichen Gehalt von 1.200,00 € brutto beschäftigt. Nachdem die Beklagte dem Kläger unter dem 22.09.2010 schriftlich zwei Abmahnungen erteilt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25.10.2010 zum 30.11.2010. Der Kläger, der bereits zuvor Klage auf Entfernung der erteilten Abmahnungen vor dem Arbeitsgericht Aachen erhoben hatte, erweiterte unter dem 28.10.2010 seine Klage dahin, dass er sich mit einem Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 25.10.2010 wandte und seine Weiterbeschäftigung als Koch verlangte. Zudem waren Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.
Mit Schriftsatz vom 08.03.2011 hatte der Kläger erstinstanzlich zuletzt folgende Anträge angekündigt:
1. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 22.09.2010 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen;
2. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 22.09.2010 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen;
3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 25.10.2010, zugegangen am 25.10.2010, beendet worden ist;
4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände beendet worden ist, sondern über dem 30.11.2010 hinaus fortbesteht;
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 671,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.289,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2010 zu zahlen;
7. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Lohnabrechnung für November 2010 zu erteilen;
8. hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 3 das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2010 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 12.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2010 nicht überschreiten sollte, aufzulösen.
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe immer wieder den Betriebsfrieden gestört. Anlass für die Kündigung sei gewesen, dass der Kläger am 24.10.2010 gegen 16.00 Uhr im Restaurant gegenüber dem Mitarbeiter I mitgeteilt habe, dass er den Geschäftsführer der Beklagten “hochgehen lassen werde, er werde ihn fertig machen„.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Aachen vom 12.04.2011 gab der Geschäftsführer der Beklagten folgende Erklärung ab:
“Der Kläger hat wochenlang, auch vor dem 24.10.2010 erklärt, dass er mich hochgehen lassen werde und dass er mich fertig machen wolle. Das zwar zweideutig. Vorher habe ich immer gedacht, dass er das nicht ernst meint, ich kenne ihn ja auch schon lange und am 24.10.2010 gab es ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen. Nach diesem hat mir der zum heutigen Termin geladene Zeuge I gesagt, dass er an meiner Stelle den Kläger loswerden würde, weil das nicht mehr so weiter geht.„
Nachdem der vorsorglich geladene Zeuge I im Einvernehmen mit den Parteien entlassen worden war haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 25.10.2010 mit Ablauf des 30.11.2010 sein Ende gefunden hat.
2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend § 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 7.400,00 € (i. W. siebentausendvierhundert Euro, Cent wie nebenstehend) brutto zu zahlen. Der Beklagten steht es frei, diesen Betrag zum 01.05.2011 abzurechnen und den Nettobetrag in Raten zu zahlen. Die 1. Rate ist fällig am 01.05.2011 in Höhe von 1.000,00 € (i. W. eintausend Euro, Cent wie nebenstehend) netto. Die nächste ...