Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstunden. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1) Lehnt der Arbeitnehmer zulässig angeordnete Überstunden ab, so kann – jedenfalls nach einschlägiger Abmahnung – eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein.
2) Bei der Gewichtung des Kündigungsgrundes ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung von Überstunden eine Sonderverpflichtung darstellt, die über den arbeitsvertraglich vorgesehenen Reglumfang der Arbeitsverpflichtung hinausgeht. Wendet sich der Arbeitnehmer, wenn auch im Einzelfall zu Unrecht, dagegen, in der Vergangenheit bereits häufig angefallene Sonderverpflichtungen in Form von Überstunden zu übernehmen, so wiegt eine solche Arbeitsvertragsverletzung vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls im allgemeinen weniger schwer, als wenn er bereits die Erfüllung der arbeitsvertraglich vorgesehenen Regelarbeitsverpflichtung rechtsgrundlos verweigert.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 09.06.1998; Aktenzeichen 1 Ca 633/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird unter Zurückweisung der Berufung im übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 09.06.1998 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.1998 nicht fristlos aufgelöst worden ist, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 11.03.1998 fortbestanden hat.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden beiden Parteien je zur Hälfte auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, arbeitgeberseitigen Kündigung.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Bedachungsunternehmen, das sieben bis acht Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Hauptauftraggeber der Beklagten ist die Firma E, die für den Mobilfunk-Betreiber E-p Antennenanlagen erstellt. Diese Antennenanlagen werden in der Regel auf Kirchtürmen oder sieben- und mehrgeschossigen Flachdachbauten errichtet. Bei der Flachdach-Montage werden die Antennen und Sende- und Empfangseinrichtungen auf spezielle Stahlmasten und Stahlstützen gesetzt. Zu diesem Zweck ist es Aufgabe der Beklagten, zunächst die Dachhaut zu öffnen. Sodann werden von einem Stahlbauunternehmen die Masten bzw. Stützen auf dem Dach befestigt. Dann müssen die Öffnungen in der Dachhaut von der Beklagten wieder fachgerecht abgedichtet werden. Um das Eindringen von Niederschlagswasser in die Gebäude zu vermeiden, hat dies noch am selben Tage zu geschehen. Da teilweise auch teure Autokräne bei der Montage der Masten im Einsatz sind, sind die mit der Firma E vereinbarten Termine genau einzuhalten. Die Baustellen der Firma E befinden sich in der Regel in einem Umkreis von ca. 150 Km um den Firmensitz der Beklagten in B bei Bo .
Der Kläger wurde im Oktober 1996 von der Beklagten als Dachdeckergeselle eingestellt. Für seine Einstellung war maßgebend, dass er über einen Führerschein verfügte und daher gerade auch die wechselnden auswärtigen Baustellen des Auftraggebers E wahrnehmen konnte. Der Kläger erzielte zuletzt einen Verdienst in Höhe von ca. 4.800,00 DM brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Regelungen des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk vom 27. November 1990 in der jeweils geltenden Fassung kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung Anwendung.
Der Kläger wurde nach seiner Einstellung häufig auf Baustellen der Firma E, aber auch auf anderen Baustellen eingesetzt. Auf die vom Kläger stammenden Stundenauflistungen (vgl. hierzu die Protokollerklärung des Klägers persönlich vom 09.06.1998 wie Bl. 35 f. d. A.) für den Zeitraum Januar bis Juli 1997 sowie Januar und Februar 1998 wird Bezug genommen (Bl. 19 – 25 d. A.).
Im Dezember 1997 äußerte der Kläger, dass er nicht bereit sei, regelmäßig auf den Baustellen der Firma E Überstunden zu leisten. Im Januar 1998 fiel für den Kläger kein Einsatz bei der Firma E an. Am 16.02.1998 war der Kläger für eine Baustelle der Firma E in O eingeteilt. Diesen Einsatz nahm im Ergebnis der Dachdeckermeister M war, während der Kläger auf dessen Baustelle eingesetzt wurde. Unter dem 17.02.1998 erhielt der Kläger eine Abmahnung folgenden Wortlauts:
„Sehr geehrter Herr El ,
hiermit erhalten Sie eine Abmahnung, weil Sie sich geweigert haben, für unseren Hauptauftraggeber, die Firma E, zu arbeiten. Wir bitten Sie nachdrücklich diesen Mangel sofort abzustellen, da wir uns ansonsten gezwungen sehen, das Arbeitsverhältnis mit Ihnen fristlos zu kündigen” (Bl. 4 d. A.).
Vom 17.02. bis 20.02.1998 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Bei der Arbeitseinteilung am Aschermittwoch, dem 25.02.1998, erhielt der Kläger die Anweisung, auf eine Baustelle der Firma E nach D zu fahren. Hierzu erklärte sich der Kläger bereit, weigerte sich jedoch, Überstunden zu machen und wies darauf hin, dass er einschließlich An- und Abfahrtszeit nur noch die tarifliche Arbeitszeit leisten werde. Hierbei blieb der Kläger auch in einem sich...