Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung. Direktionsrecht. Mitbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist das Betriebsklima in einer Filiale durch einen Streit unter den Mitarbeitern gestört, so entspricht es billigem Ermessen (§ 315 BGB), wenn der Arbeitgeber zur Behebung des Konfliktes einen Arbeitnehmer in eine andere Filiale desselben Ortes versetzt, ohne dass es auf die Ursachen des Konfliktes ankommt.
2. Hat der Betriebsrat der Versetzung zugestimmt, so wird die Maßnahme nicht dadurch individual-rechtlich unwirksam, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber „nicht ordnungsgemäß” angehört wurde.
Normenkette
BGB § 315; BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 23.10.1997; Aktenzeichen 3 Ca 435/97) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.10.1997 – 3 Ca 435/97 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin in einer bestimmten Filiale der Beklagten zu beschäftigen ist, in der sie, nachdem sie zuvor in verschiedenen anderen Filialen eingesetzt war, bis Anfang 1997 gearbeitet hatte.
Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Filialen. Die schwerbehinderte Klägerin übte zuletzt die Tätigkeit einer Kassiererin bei einem Verdienst von 1.560,– DM brutto aus. Sie arbeitete montags und donnerstags von 8.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Nach dem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag war die Klägerin zunächst ab dem 01.10.1983 in der Filiale T Straße 805 in A -B beschäftigt. Weiter heißt es in dem Vertrag:
„Der Mitarbeiter erklärt sich bereit, ggf. auch eine andere seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Tätigkeit in der Firma zu übernehmen. Diese Bereitschaft umfasst auch die Versetzung an einen anderen Ort.”
Bis Ende 1996 war die Klägerin – nach verschiedenen Versetzungen – in der Filiale T Straße 107 beschäftigt. Die Beklagte versetzte die Klägerin zunächst Anfang 1997 in die Filiale K straße 99. Im Laufe des Rechtsstreits schloss die Beklagte diese Filiale und versetzte die Klägerin in die Filiale A straße. Während die Klägerin für den Weg zur Filiale T Straße 107 einen Fußweg von 12 Minuten zurückzulegen hatte, muss sie nunmehr einen Fußweg von 5 (so der Vortrag der Beklagten) oder 8 Minuten (so der Vortrag der Klägerin) zur Bushaltestelle, eine 12minütige Busfahrt und dann einen 8minütigen Fußweg zurücklegen. Unter dem Datum vom 13.01.1997 verfassten die Mitarbeiterinnen der Filiale T Straße 107 ein Beschwerdeschreiben über die Klägerin an ihren Arbeitgeber. Darin heißt es:
„Anlass der Beschwerde ist die Weigerung der Fr. M gegen ihre geplante Versetzung (die wir befürworten). Ihr Benehmen und Verhalten verschlechtern unser Arbeitsklima in geschäftsschädigendem Umfang. Hier eine kleine Auflistung ihres Fehlverhaltens:
Verwehrt Kunden schon vor 18.30 Uhr den Zugang zum Laden.
Unfreundlich den Kunden gegenüber an der Kasse, in einem Maße, dass einige Kunden in ihrer Anwesenheit den Laden wieder verlassen.
Den Wunsch, die Toilette aufsuchen zu können, den sie über alle Gebühr oft verspürt, tut sie laut schreiend kund, im Marktfrauenton und nicht in einer K filiale gebührend. Dieses häufige Verlassen ihres Arbeitsplatzes führt dazu, dass ihre Kollegin mit der Arbeit nicht nachkommt.
Urlaubsabsprachen, die in Form einer Liste für alle gelten und in einer kleinen Filiale unumgänglich sind, sind für sie nicht bindend. Sie meldet ihren Urlaub ohne jegliche Absprachen an. Gleichzeitig droht sie mit Betriebsrat und Gewerkschaft, falls der Urlaub nicht genehmigt wird.
Alle Arbeiten abseits der Kasse (Kartons zerreißen, Regale auswaschen, Obsttheke ein- oder aufräumen) lehnt sie kategorisch ab mit der Begründung, es könnte ihr ein Fingernagel abbrechen.
Aus dieser misslichen Lage sehen wir nur zwei Auswege, entweder versetzten Sie Fr. M oder Sie versetzen uns.
Wir hoffen, dass unser Anliegen in unserem Sinne weiterverfolgt wird.”
Dieses Schreiben ist von den Mitarbeiterinnen B, M M, U F, C B, C H und Ch H unterschrieben.
Zu der Versetzungsmaßnahme nach Schließung der Filiale K straße hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 22.06.1998 (Bl. 133 d.A.) an. Darin heißt es auszugsweise:
„… die o.g. Mitarbeiterin ist z. Zt. in der Filiale A, K str. 99 tätig, die jedoch nun aus wirtschaftlichen Gründen kurzfristig geschlossen wird.
Aus diesem Grunde beabsichtigen wir, Frau M zur Filiale A, A straße 5 – 7 zu versetzen. Dort käme sie als Verkäuferin mit der gleichen Stundenzahl (78 Std./mtl.) zum Einsatz. An den Bezügen wird ebenfalls nichts geändert.
Aufgrund der im Januar 1997 eingeleiteten Versetzungsmaßnahme von der Filiale A, T Straße 107 zur Filiale A, K straße ist noch ein Rechtsstreit anhängig. Die nächste Verhandlung findet erst am 28.08.98 statt.
Frau M hatte auf Rückversetzung zur Filiale A, T Straße 107 geklagt.
Für den Fall, dass die damalige Versetzungsmaßnahme nicht rechtskräftig sein sollte, bitten wir hiermit ebenfalls um Zustimmung zur Versetzung in die Filiale A,...