Entscheidungsstichwort (Thema)
Systematischer gemeinschaftlicher Arbeitszeitbetrug. Zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers. Einsatz eines Detektivs
Leitsatz (redaktionell)
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeitkorrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Normenkette
BGB § 626; TV-L; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.05.2012; Aktenzeichen 8 Ca 6305/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.05.2012 - 8 Ca 6305/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.
Der im Jahre 1956 Kläger ist seit dem Juli 1990 bei der beklagten S tätig, zuletzt als schichtführender Schwimmmeister. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifbestimmungen des TV-L Anwendung.
Die Beklage hegte im Juli 2011 den Verdacht, dass Mitarbeiter des Schwimmzentrums Arbeitszeitbetrug begingen, indem ein anwesender Arbeitnehmer für einen noch nicht oder nicht mehr Anwesenden die Arbeitszeit mit dessen Chipkarte an einem elektronischen Zeiterfassungsgerät erfasste. Nach Einsatz einer Privatdetektei hörte die Beklagte in der Zeit vom 03.08.2011 bis 10.08.2011 die Mitarbeiter wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Arbeitszeitmanipulation an. Der Kläger wollte sich am 03.08.2011 zum Sachverhalt nicht äußern.
Nach Anhörung und Zustimmung des nichtwissenschaftlichen Personalrats am 04.08.2011 (Bl. 29 f. d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 08.08.2011 außerordentlich fristlos.
Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 10.05.2012 (Bl. 95 ff. d. A.) im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte keine einzige Tathandlung des Klägers konkret zu benennen vermochte und die Erklärungen der Kollegen über eine Beteiligung des Klägers an einem systematischen Arbeitszeitbetrug allenfalls eine Vermutung, nicht aber einen hinreichenden Tatverdacht begründeten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringen sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihr am 29.05.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.06.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 14.08.2012 begründet.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe am 01.08.2011 das Schwimmzentrum erst um 13:45 Uhr betreten, im Zeiterfassungssystem sei aber 13:38 Uhr erfasst. Sein PKW habe sich um 22:15 Uhr nicht mehr auf dem Parkplatz befunden. Um 22:55 Uhr habe der Kläger das Schwimmzentrum erneut betreten. Hieraus sei zu folgern, dass er sich in der Zwischenzeit nicht mehr im Schwimmzentrum aufgehalten habe. Eine Abmeldung im Arbeitszeiterfassungssystem sei erst nach Schichtende um 23.01 Uhr erfolgt. Am 02.08.2011 habe sich der PKW in Zeit von 22:30 Uhr bis 22:56 Uhr nicht mehr auf dem Parkplatz befunden. Der Kläger habe das Gebäude gegen 22:56 Uhr wieder betreten, die Abmeldung im Arbeitszeiterfassungssystem sei erst um 23:05 Uhr erfolgt. Der Kläger habe in einem Telefonat am 05.08.2011 den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs eingeräumt und darauf verwiesen, dass er dies auf Weisung seines Vorgesetzten gemacht habe. Die Arbeitszeitmanipulationen im Schwimmzentrum und die Beteiligung des Klägers seien durch die in Anwesenheit des Vorsitzenden des Personalrats durchgeführten Anhörungen der Mitarbeiter bestätigt worden. Jedenfalls bestehe ein hinreichender Tatverdacht. Der Betriebsleiter habe glaubhaft versichert, von den Vorgängen nichts mitbekommen zu haben. Nach erneuter Befragung am 20.11.2012 habe die Mitarbeiterin Schramm aufgrund Eintragungen in ihrem privaten Kalender den 03.06.2009, den 05.06.2009 und den 30.03.2011 als Tage zu benennen vermocht, an welchen der Kläger die Schicht ohne Mitteilung gegenüber der Beklagten vorzeitig verlassen habe. Bei der Mitarbeiterin K habe es die Beklagte bei einer Abmahnung im Hinblick auf den bevorstehenden Ruhestand und ihren schwierigen persönlichen Verhältnisse belassen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln- 8 Ca 6305/11 - vom 10. Mai 2012 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger behauptet, der 01.08.2011 und 02.08.2011 habe als sog. Schließzeit fungiert. In Schließzeiten sei das Schwimmzentrum nicht für Besucher geöffnet, es seien lediglich die Mitarbeiter anwesend und ggfs. Handwerker. Der Betriebsleiter habe den Mitarbeitern erklärt, dass sie in diesen Zeiten das Schwimmzentrum ver...