Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Zulässigkeit der Versetzung einer angestellten Immobilienkauffrau von der Vermietung und dem Verkauf von Immobilien mit Provisionsansprüchen in den Bereich von Hausverwaltungen ohne Provisionsansprüche. Zulässigkeit der Versetzung an einen 600 km entfernten Arbeitsort. Erteilung einer Abmahnung wegen Aufnahme einer Tätigkeit während der Elternzeit ohne Zustimmung des Vertragsarbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Einer angestellten Immobilienkauffrau, die bislang für Vermietung und Verkauf von Immobilien zuständig war und hierdurch auch Provisionsansprüche erworben hat, die rund das Doppelte der Grundvergütung ausmachen, kann mangels Gleichwertigkeit im Wege des Direktionsrechts keine Tätigkeit im Bereich von Hausverwaltungen übertragen werden, wenn dort unstreitig keine Provisionsansprüche erworben werden können.
2. Einzelfall der Unbilligkeit einer örtlichen Versetzung einer Mitarbeiterin von über 600 km zum einen aufgrund deren familiärer Verhältnisse und zum anderen wegen Rechtsmissbrauchs, da keine ernsthafte Beschäftigung durch den Arbeitgeber zu erwarten ist, wenn die Mitarbeiterin bspw. als "Pulverfass", "Sprengsatz" oder "aufbrausende Persönlichkeit" bezeichnet und beleidigt wird.
3. Die Aufnahme einer Tätigkeit während einer Elternzeit bei einem Dritten gemäß § 15 BEEG bedarf der vorherigen Zustimmung des Vertragsarbeitgebers. Eine bloße Anzeige ist nicht ausreichend, so dass die Aufnahme der Tätigkeit eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt, die eine Abmahnung rechtfertigt.
Normenkette
GG Art. 6 Abs. 1-2; BGB §§ 242, 315, 1004 Abs. 1 S. 1; GewO § 106 S. 1; ZPO § 256; BEEG § 15 Abs. 4 S. 3, Abs. 7 S. 7
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 11.04.2019; Aktenzeichen 7 Ca 4163/17) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.04.2019 (7 Ca 4163/17) teilweise abgeändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin durch Schreiben der Beklagten vom 17.01.2018 unwirksam ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 05.07.2018 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. (*)
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung (Versetzung) sowie über die Entfernung von drei Abmahnungen aus der Personalakte.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in M . Es ist unstreitig geworden, dass die Beklagte auch über Geschäftsräume bzw. eine Geschäftsstelle in Berlin verfügt. Streitig ist zwischen den Parteien, ob es sich bei der Beklagten um einen Kleinbetrieb iSv. § 23 Abs. 1 KSchG handelt.
Die Klägerin, geb. am 24.12.1989, ist seit dem 11.04.2012 bei der Beklagten als Immobilienkauffrau beschäftigt. Zuvor hatte sie bei der Beklagten ab dem 01.08.2009 ihre Ausbildung zur Immobilienkauffrau in M absolviert. Die Klägerin ist verheiratet und wohnt mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen mittlerweile 2,5-jährigen Kind in L . Der Ehemann ist ebenfalls berufstätig. Die Eheleute haben Wohneigentum erworben.
Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 11.04.2012, bezüglich dessen Wortlaut auf Bl. 31-33, 43-45 d.A. Bezug genommen wird, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1 Beginn des Anstellungsverhältnisses und Tätigkeitsbeschreibung
1.1 Der Arbeitnehmer wirr mit Wirkung von dem Tag eingestellt, an dem er seine Prüfung zum Immobilienkaufmann besteht. ... Die einzelnen zum Aufgabenbereich gehörenden Tätigkeiten ergeben sich aus der als Anlage 1 beigefügten und zum Vertrag gehörenden Stellenbeschreibung.
1.2 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, im Bedarfsfall auch andere ihm zumutbare Tätigkeiten auch in einem anderen Bereich des Unternehmens zu übernehmen. Eine Gehaltsminderung darf hiermit nicht verbunden sein. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers erstreckt sich auch auf eine Beschäftigung in einer anderen Geschäftsstelle des Unternehmens.
§ 3 Arbeitszeit
1.1 Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich ohne die Berücksichtigung der Pausen.
1.2 Die Arbeitszeit verteilt sich grundsätzlich auf die Wochentage Montag bis Samstag. ...
...
§ 4 Vergütung
1.1 Die monatliche Bruttovergütung setzt sich aus einem fixen festen Teil und einem erfolgsabhängigen Teil zusammen. Der feste Teil beträgt 1.100 Euro brutto monatlich, Der erfolgsabhängige Teil beträgt 20% aller Nettoprovisionseinnahmen aus dem Verkauf und aus der Vermietung von Immobilien, welche der Firma im vergangenen Monat zugeflossen sind und an deren Erwirtschaftung der Arbeitnehmer maßgeblich beteiligt war.
...
§ 8 Nebentätigkeit
1.1 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses seine ganze Arbeitskraft der Firma zur Verfügung zu stellen und jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die seine Arbeitsleistung oder die Interessen der Firma...