Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
kranheitsbedingte Kündigung. Annahmeverzug. Leistungsvermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Kündigung wegen dauernder Unfähigkeit, die arbeitsvertraglich geschuldete Lesitung zu erbringen.
2. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens nach § 297 BGB kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Schuldners, sondern nur auf die objektiven Umstände der Leistungsfähigkeit an.
Normenkette
KSchG § 1; BGB §§ 297, 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 07.05.1996; Aktenzeichen 1 Ca 5258/94) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 07.05.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 1 Ca 5258/94 – teilweise abgeändert:
1. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung und die Zahlung von Verzugslohn.
Der am 16.05.1946 geborene Kläger war seit dem 02.11.1978 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für die chemische Industrie Anwendung. Der Kläger bezog in seiner Entgeltgruppe E 03 zuletzt einen monatlichen Bruttolohn von 3.237,27 DM einschließlich Zulage.
In der Zeit vom 03.09.1993 bis zum 17.05.1994 war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Er teilte der Beklagten mit, daß er Kniebeschwerden habe. Ab dem 18.05.1994 schrieb ihn der behandelnde Orthopäde Dr. V wieder gesund. Der Kläger erschien an diesem Tage wieder zur Arbeit, wurde aber von der Beklagten an der Arbeitsaufnahme gehindert.
Vor seiner Erkrankung war der Kläger als Hilfshandwerker/Reiniger überwiegend für Wartungs- und Reparaturarbeiten eingesetzt. Zu seinen Arbeiten gehörten:
- Wechseln von Rohrstücken und Armaturen
- Wärmeaustauscherbündel auswechseln
- Öffnen, Schließen und Absichern von Apparaten
- Wartungsarbeiten an Anlageteilen
- Reinigung mittels Preßlufthammer
- Beseitigung von Verstopfungen
- Reinigung von Apparaten und Armaturen
- Meldung von Schäden und sonstige Aufgaben.
Im Produktionsbereich, in dem der Kläger eingesetzt war, werden die erforderlichen Tätigkeiten zu 80 bis 90 % in freien Außenanlagen des Chemiebetriebes und die restlichen Arbeiten in geschlossenen Anlagen durchgeführt, wobei der Einsatz zum Teil ebenerdig, zum Teil auf bis zu 24 Meter hohen Anlagenbühnen erfolgt, die über Treppen zu erreichen sind.
Mit seiner am 10.06.1994 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst Verzugslohn ab dem 18.05.1994 geltend gemacht und der Beklagten erneut seine Arbeitskraft angeboten. Mit Schriftsatz seines früheren Prozeßbevollmächtigten vom 03.08.1994 hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er auch in seinem bisherigen Arbeitsbereich eingesetzt werden könne.
Die Beklagte lehnte die Arbeitsaufnahme nach wie vor ab, weil sie den Kläger hinsichtlich der von ihm früher ausgeübten Tätigkeiten für dauerhaft arbeitsunfähig hält und nach ihrem Vortrag keine freien Arbeitsplätze für leichtere Tätigkeiten hatte.
Mit Schreiben vom 28.02.1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.1995. Der am 17.02.1995 angehörte Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
Mit seiner am 03.03.1995 erweiterten Klage hat der Kläger geltend gemacht, daß die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Er hat behauptet, seit dem 18.05.1994 könne er seine alte Tätigkeit wieder ausüben und ohne jede Mühe Treppenstufen bewältigen. Lediglich mit Preßlufthammer-Arbeiten sei er gesundheitlich überfordert, die aber ohnehin nicht zu seinem eigentlichen Aufgabengebiet gehörten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß die mit Kündigungsschreiben vom 28.02.1995 zum 30.06.1995 ausgesprochene Kündigung unwirksam ist,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.1995 hinaus fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 75.919,20 DM brutto (Lohn bis einschließlich April 1996) abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 30.651,30 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem Differenznettobetrag seit dem 01.05.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen über den 17.05.1994 hinaus auf Dauer nicht mehr in der Lage, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit zu verrichten. Am 18.05.1994 habe er in einem Gespräch mit den Zeugen D und H erklärt, er könne seinen bisherigen Job nicht mehr machen, und nach einer neuen Tätigkeit verlangt. In einem Gespräch mit den beiden Zeugen am 31.01.1994 habe der Kläger gesagt, er könne die in den Anlagen vorhandenen Treppen nicht mehr hochsteigen. Freie Arbeitsplätze, auf denen der Kläger leidensgerecht eingesetzt werden könnte, stünden ihr jedoch nicht zur Verfügung.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Bla...