Rechtsmittel zugelassen

 

Leitsatz (amtlich)

Fährt ein Lkw-Fahrer bei rot in eine Kreuzung ein, kann nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden, wenn er kurz vor der Ampel vom Arbeitgeber über eine Funksprechanlage angerufen und in ein Gespräch verwickelt wurde.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 21.08.1996; Aktenzeichen 2 Ca 89/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.11.1998; Aktenzeichen 8 AZR 221/97)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 21.08.1996 – 2 Ca 89/96 – wird geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Koste des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte (geboren am 08.03.1938, also jetzt 58 Jahre alt) ist seit 1965 Auslieferungsfahrer bei der Firma B, S. Am 05.01.1995 gegen 13.10 Uhr befuhr er mit einem Lkw-Kipper dieser Firma in S die H in Richtung der Kreuzung mit der K. Dabei wurde er über eine Funksprechanlage im Fahrzeug von einem Angestellten des Betriebs angerufen und gefragt, ob er eine Werksabholung machen könnte. Während dieses Anrufes fuhr der Beklagte bei für ihn roter Ampel in die Kreuzung hinein. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß, bei dem auch der Lkw beschädigt wurde. Die Reparaturkosten von 7.705 DM hat die Klägerin (Versicherungsunternehmen) der Firma B aufgrund einer Kaskoversicherung erstattet, abzüglich einer Selbstbeteiligung von 1.000 DM. Sie verlangt ihrerseits Erstattung vom Beklagten unter Berufung auf § 67 VVG. Sie macht geltend: Der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, als er bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sei. Daran ändere auch der Funkanruf nichts. Bei der Funksprechanlage habe es sich um eine Freisprechanlage gehandelt, so daß kein Telefonhörer im eigentlichen Sinne habe benutzt werden müssen. Gehe ein Anruf ein, brauche lediglich auf Empfang geschaltet zu werden, und man könne mit dem Anrufer sprechen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.705,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.1995 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Als er auf die Kreuzung zugefahren sei, habe diese grünes Licht gezeigt. Vor ihm habe sich kein weiteres Fahrzeug befunden. Aufgrund des Funkanrufs habe er Begleitpapiere durchblättern müssen, die auf dem Nebensitz gelegen hätten. Infolge einer Unachtsamkeit habe er dann übersehen, daß die Lichtzeichenanlage von grün auf rot umgesprungen sei. Als er kurz vor dem Kreuzungsbereich diesen Umstand bemerkt habe, habe er noch eine Vollbremsung versucht, aber nicht mehr vermeiden können, daß querfahrende Fahrzeuge gegen den Lkw gestoßen seien. In dem Fahrzeug sei ein Telefon mit Hörer eingebaut gewesen. An dem Telefonapparat habe es zusätzlich eine Freisprechtaste gegeben. Bei einem eingehenden Anruf habe an der Telefonanlage ein grünes Licht aufgeleuchtet. Der Benutzer habe dann entweder den Hörer abnehmen und normal telefonieren können oder wahlweise auch den Freisprechknopf drücken können. In der Praxis habe sich die Freisprechanlage jedoch nicht bewährt, weil die Verständigung über Lautsprecher und Mikrofon außerordentlich mangelhaft sei. Üblicherweise werde deshalb mit dem Hörer telefoniert. Die Risiken, die mit der Bedienung während der Fahrt verbunden seien, könnten nicht ausschließlich vom Kraftfahrzeugführer getragen werden. Im übrigen seien Vorschäden am Lkw vorhanden gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, die Beklagte hiergegen Berufung eingelegt. Er begehrt weiterhin Abweisung der Klage. Seine Begründung ergibt sich aus den Schriftsätzen vom 20.09.1996, 28.10.1996, 03.12.1996 und 15.01.1997, die Erwiderung der Klägerin aus ihren Schriftsätzen vom 18.10.1996, 22.11.1996, 10.01.1997, 22.01.1997 und 24.01.1997.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Diesbezüglichen Feststellungen des Gerichts ergeben sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 29.01.1997.

II. Die Berufung ist auch begründet. Der Anspruch der Klägerin besteht rechtlich nicht.

1. Für einen eigenen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung der Reparaturkosten gibt es keine Rechtsgrundlage.

2. Einen Erstattungsanspruch der Firma B gegen den Beklagten könnte die Klägerin nur geltend machen, wenn der Beklagte die Beschädigung des Lkw's vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hätte, § 67 Abs. 1 S. 1 VVG, § 15 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingung für die Kraftfahrtversicherung (AKB). Nach § 15 Abs. 2 AKB können Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers, die nach § 67 VVG auf den Versicherer übergegangen sind, gegen den berechtigten Fahrer nur geltend gemacht werden, wenn von ihm der Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist.

a) Daß der Beklagte die Beschädigung des Lkw's vorsätzlich herbeigeführt habe, macht die Klägerin nicht geltend.

b) Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich aber auch nicht, daß der Beklagte die B...

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