Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. rechtwidrige Weisungen durch Vorgesetzte. Widerstandsrecht und -pflicht. Informationspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung zur Kündigung eines Arbeitnehmers, der sich rechtswidrigen für den Arbeitgeber schädigenden Weisungen seiner Vorgesetzten nicht entzogen und sie auch nicht dem Arbeitgeber oder Betriebsrat gemeldet hat (hier illegale Müllverkippung im Tagebau)

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 07.04.1998; Aktenzeichen 16 Ca 6081/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.04.1998 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 16 Ca 6081/97 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 28.06.1997 das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch ordentlich aufgelöst hat.
  2. Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochenen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der am 24.06.1959 geborene Kläger hat einen GdB von 30 %. Er ist seit dem 01.09.1974 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Gerätefahrer.

Seit etwa Mitte 1996 wurde in der Kippe des Tagesbaus Garzweiler der Beklagten illegal Müll verkippt, der sich u.a. aus Hausmüll, Bauschutt, Gartenabfällen sowie Benzinkanistern und Farbeimern mit Inhaltsresten zusammensetzte. Nach Angaben der Beklagten war der Hergang der Müllverkippung wie folgt:

Wer Abfall zu entsorgen hatte, stellte diesen mit einem Anhänger während der Nachtschicht des Steigers K zu einem vereinbarten Termin am „Ostkopf”, dem Bandsammelpunkt östlich des Kohlebunkers im Tagebau Garzweiler, ab. Der Anhänger wurde entladen und der Müll mit einem Kopflader, einem Transportgerät mit vertikal beweglicher Lademulde, über gut 2 km zur obersten Kippstrosse des Nordflügels des Tagebaus gebracht und dort verkippt.

Im Januar 1997 versetzte die Beklagte den Kläger an den „Ostkopf”. Der Kläger arbeitete dort in Wechselschicht, während der Nachtschicht auch unter Leitung des Steigers K . In der Schicht waren nach Angaben der Beklagten im Termin 31 Arbeitnehmer tätig. Nach Anhörung des Betriebsrats am 23.06.1997 zu einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28.06.1997 mit sofortiger Wirkung. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung am 27.06.1997 mit der Begründung, ein Fehlverhalten des Klägers sei nicht zu erkennen, der Kläger sei erst im Januar 1997 am Bandsammelpunkt Ost angelernt worden und habe seitdem auf Weisung Arbeit jeglicher Art durchgeführt; eine Mithilfe sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, da für ihn mit seinem eingeschränkten Tätigkeitsbereich die Arbeitsorganisation des Betriebes nicht nachzuvollziehen gewesen sei.

Der Kläger hält die Kündigung für nicht gerechtfertigt. Er hat vorgetragen, er habe zwar hier und da mal einen Anhänger mit Bauschutt entladen. Dabei habe es sich aber nur um normalen Bauschutt gehandelt, also um Steine, Mörtel und Holzreste, nicht aber um umweltgefährdende Stoffe. Er habe dies für zulässig gehalten, zumal er als einfacher Arbeiter weisungsgebunden gewesen sei. Auch habe er schon mal für Betriebsangehörige weisungsgemäß Sand und Kies auf private Anhänger verladen. Nach seiner Kenntnis sei die Mitnahme von Materialien von Sand und Kies von der Beklagten ausdrücklich erlaubt worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.06.1997 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe seit Januar 1997 als Mitarbeiter der Schicht des Steigers K ebenfalls während der Nachtschicht regelmäßig Anhänger mit privaten Abfällen mittels einer Schaufel entladen. Er habe manchmal drei Anhänger in der Nachtschicht entladen und dies viermal in der Woche. Außerdem habe er bei der Entwendung von Materialien mitgewirkt, indem er während der Arbeitszeit Findlinge, Kies und Sand aus dem Tagebau auf am „Ostkopf” bereitgestellte private Anhänger geladen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 36 – 40 d.A.) wird verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 28.08.1998 zugestellte Urteil hat er am 17.09.1998 Berufung eingelegt und diese am 19.10.1998 (Montag) begründet.

Der Kläger meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nicht eingeholt habe. In der Sache sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Er sei nur dreimal am Umladen in den Kopflader beteiligt gewesen. In der Zeit von Januar bis Mai 1997 sei er am „Ostkopf” nur wenige Nachtschichten gefahren, nach seiner Erinnerung im Januar an keinem einzigen Tag, im Februar an fünf oder sechs Tagen und im März an fünf Tagen. Er habe auch nur fremden Bauschutt umgeladen und niemandem einen „Freundschaftsdienst” erwiesen oder sonstige Vorteile davon gehabt. Er habe sich nur weisungsgemäß verhalten. Wenn ihm die Beklag...

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