Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Weigerung des Arbeitnehmers, ihm erteilte Anweisungen zu befolgen, berechtigt den Arbeitgeber nicht zum Ausspruch einer Kündigung, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Nichtbefolgung der Anweisungen arbeitsunfähig erkrankt war.
2. Bestreitet der Arbeitgeber trotz vorgelegter ordnungsgemäß ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, muss er den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Dies ist dann der Fall, wenn ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt werden. Bloßes Bestreiten der Arbeitsunfähigkeit reicht insoweit nicht aus. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden durch Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst, durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch dessen Verhalten während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit (wie LAG Hamm, Urteil vom 08.06.2005 – 18 Sa 1962/04, NZA-RR 2005, 625).
3. Eine durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Arbeitnehmer seine geschuldeten Vertragspflichten noch teilweise erbringen kann, da das Gesetz eine „Teilarbeitsunfähigkeit” grundsätzlich nicht kennt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; EFZG § 3 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 24.10.2006; Aktenzeichen 14 Ca 11704/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.10.2006 – 14 Ca 1170/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung, das Bestehen von Zahlungsansprüchen sowie die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.
Die Beklagte betrieb ein zahntechnisches Labor, in dem früher 25 Arbeitnehmer tätig waren. Der Kläger, der 15 % der Geschäftsanteile an der Gesellschaft der Beklagten hält, war bei dieser seit dem 01.09.1977 als Zahntechnikermeister beschäftigt. Durch Gesellschafterbeschluss vom 27.11.2001 wurde er zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Am 28.08.2005 legte er dieses Amt mit sofortiger Wirkung nieder. Entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 4 des Geschäftsführervertrags der Parteien vom 28.12.2003 wurde sodann das ruhende Arbeitsverhältnis wieder aufgenommen.
Mit Schreiben vom 31.08.2005 erteilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger und einem weiteren Mitarbeiter die Weisung, bei den dort genannten Kunden um persönliche Gesprächstermine mit dem Gesprächsziel nachzusuchen, die Gründe für den Geschäftsrückgang im August 2005 zu ermitteln.
Mit Schreiben vom 27.09.2005 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2006.
Mit Schreiben vom 07.11.2005 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, in der sie ihm insbesondere vorwarf, seinen Pflichten als Ausbilder nicht nachgekommen zu sein, sich wiederholt geweigert zu haben, Arbeiten, insbesondere Keramikarbeiten auszuführen, die Gerätepflege nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben sowie die Arbeitszeit eigenmächtig zu verkürzen.
Ab dem 08.11.2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsunfähig krank. Für die Zeit bis zum 05.12.2005 erhielt die Beklagte von dem Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Am 29.11.2005 fand eine Gesellschafterversammlung statt, an der auch der Kläger und sein Anwalt teilnahmen.
Mit Schreiben vom 05.12.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte sie neben dem Kläger nur noch zwei weitere Mitarbeiter.
Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 14.12.2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage gewandt, die er mehrmals, insbesondere um die Zahlung von Arbeitsvergütung sowie die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses, erweitert hat.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Die Hauptkunden der Beklagten habe er trotz der Weisung vom 31.08.2005 nicht aufgesucht, weil dies nicht zu seinen Aufgaben gehört habe. Unabhängig davon sei ihm aus diesem Grund auch keine Abmahnung erteilt worden. Insoweit sei zudem die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden. Die weiteren Vorwürfe der Beklagten seien ebenfalls unzutreffend und nicht geeignet, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere habe er, so hat der Kläger behauptet, weder Goldbestände unterschlagen noch Schwarzgelder vereinnahmt oder Kunden der Beklagten veranlasst, das Labor zu wechseln.
Für den Monat August 2005 könne er von der Beklagten die Zahlung von restlicher Vergütung in Höhe von 195,72 EUR brutto, für die Monate Oktober bis Dezember 2005 in Höhe von 367,12 EUR brutto, 40,40 EUR brutto bzw. 3.456,36 EUR brutto sowie für die Monate Januar bis März 2006 den vollen Verdienst in Höhe von jeweils 4.320,42 EUR brutto abzüglich für die Zeit vom 17.12.2005 bis 31.03.2006 erhaltenen Arbeitslos...