Entscheidungsstichwort (Thema)
Brötchenzustelldienst. Arbeitsverhältnis. Dienstvertrag
Leitsatz (amtlich)
Ist eine Dienstleistung an 365 Tagen im Jahr mit dem Recht, hierbei andere Personen einzusetzen (Brötchenzustelldienst), übernommen worden und wird von der Einsatzmöglichkeit auch Gebrauch gemacht, fehlt es an dem für ein Arbeitsverhältnis typischen Direktionsrecht im Hinblick auf den persönlich geschuldeten Zeiteinsatz.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 18.11.2010; Aktenzeichen 8 Ca 5322/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.11.2010 – AZ 8 Ca 5322/09 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden Berufungsverfahren streiten die Parteien einerseits darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestand, sowie darüber, ob das Vertragsverhältnis durch eine Kündigung des Beklagten vom 20.11.2009 aufgelöst wurde. Erstinstanzlich noch anhängig sind Zahlungsanträge der Klägerin, die sich auch auf das Entgeltfortzahlungsgesetz stützen und die Vergütung für die Zeit nach Zugang der hier streitigen außerordentlichen Kündigung vom 20.11.2009 bis zum 31.01.2010 betreffen.
Zwischen den Parteien wurde am 30.01.2009 ein sog. „Service-Fahrervertrag” geschlossen, der zum Inhalt hat, dass die Klägerin in einem bestimmten ihr zugewiesenen Gebiet mit einem eigenen Fahrzeug an sieben Tagen in der Woche die Zustellung von Backwaren sowie am Wochenende auch von Zeitungen vornimmt. Hinsichtlich des Wortlauts der Vereinbarungen wird auf den als Anlage zur Klage eingereichten Vertrag Bezug genommen.
Die Klägerin machte während der Dauer des Vertragsverhältnisses mehrfach von der Möglichkeit Gebrauch, die übernommene Aufgabe durch andere Personen (ihren Ehemann und mindestens zwei weitere Personen) erledigen zu lassen. Auf ihren Vorschlag wurde die Reihenfolge der Anfahrten zu den Kunden geändert. Der Beklagte druckt hierüber jeweils eine Liste aus, die die Kundenadressen und die Menge der auszuliefernden Backwaren in der Reihenfolge der Anfahrt enthält. Die Klägerin erzielte neben ihrer Tätigkeit bei dem Beklagten so viele Einkünfte, dass sie im Hinblick auf die von ihr abzuführende Mehrwertsteuer nicht mehr als Kleinunternehmerin vom Finanzamt behandelt wurde (mehr als 17.500,00 EUR Jahreseinnahmen brutto). Im Monat lieferte die Klägerin knapp unter 6.000 Stück Backwaren und ca. 50 Zeitungen aus. Die hierfür zurückgelegte Fahrstrecke betrug ca. 2.300 km im Monatsdurchschnitt. Neben der Tätigkeit für den Beklagten war die Klägerin auch als Tagesmutter tätig.
Am 09.11.2009 erkrankte die Klägerin. Die Erkrankung dauerte mindestens bis zum 04.12.2009 an. Am 14.11.2009 organisierte die Klägerin keine Ersatzkraft für ihre Tour, so dass diese nicht gefahren wurde. Der Beklagte mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 14.11.2009 ab. Hierauf wandte sich der Klägerprozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 16.11.2009 an den Beklagten und vertrat die Ansicht, dass die Klägerin Arbeitnehmerin sei. Damit entfalle ihre Pflicht zur Arbeitsleistung. Die Abmahnung sei hinfällig, und Entgeltfortzahlung sei geschuldet.
Am 17.11.2009 fuhr die Klägerin erneut ihre Tour nicht, wodurch 25 Kunden keine Lieferung erhielten. Mit Fax vom 17.11.2009, beim Klägerprozessbevollmächtigten am 18.11.2009 eingegangen, rügte der Beklagte erneut die aus seiner Sicht gegebene Vertragsverletzung, drohte die fristlose Kündigung an und begründete seine Rechtsansicht, die Klägerin sei selbständige Dienstleisterin.
Mit Schreiben vom 20.11.2009 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis außerordentlich, hilfsweise zum 31.01.2010, dem vertraglich vorgesehenen ordentlichen Kündigungstermin, und forderte eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.080,00 EUR. Bereits vor dem 16.11.2009 hatte die Klägerin dem Beklagten folgendes Kündigungsschreiben zugehen lassen:
„Hiermit kündigte ich, zum schnellstmöglichen Termin, den mit Ihnen abgeschlossenen Vertrag. Spätestens jedoch zum 31.01.2010. Ich bitte um Bestätigung der Kündigung”.
Am 02.12.2009 erhob die Klägerin Klage gegen den Beklagten zunächst mit den Anträgen,
1) festzustellen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagtenseite seit dem 31.01.2009 ein Arbeitsvertragsverhältnis besteht,
2) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.11.2009 nicht aufgelöst worden ist,
3) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt
fortbesteht.
Mit Schriftsatz vom 08.04.2010 erfolgte die Klageerweiterung auf Zahlungsanträge. Der Beklagte rügte hinsichtlich der Zahlungsanträge die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit.
Mit Schriftsatz vom 15.11.2010 erklärte der Klägerprozessbevollmächtigte die Anträge 1) bis 3) (die ursprünglichen Feststellungsanträge) für erledigt. In der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2010 nahm er die Anträge zu 1) und 3) zurück und stellte den Antrag zu 2) aus der Klageschrift wie folgt:
Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.11.2009 nicht a...